Wandlung
Clicquot heraufgeschafft, jetzt füllten sie Eimer mit Eis, das sie von den Sitzbänken entlang des Promenadendecks abgeschlagen hatten, und stellten den Champagner kalt.
»Viel Spaß, Leute«, rief Ghost. Er war an der Reihe mit dem Patrouillengang.
Gus stellte einen CD-Spieler auf die Theke, und weil Mal U2 gemocht hatte, legten sie »Joshua Tree« ein.
Dann schaltete Gus für einen Moment den Ton ab und kletterte auf einen Stuhl. Er brachte einen Toast aus. »Mal, auf dein Wohl, Kumpel. Vaya con Dios. «
Alle leerten sie ihr Glas, bis auf Jane, die entschlossen war, nüchtern zu bleiben. Sie saß neben einem Messingradiator, bückte sich, um einen heruntergefallenen Untersetzer aufzuheben, und drehte den Thermostat höher. Sie ließ einen weiteren Korken knallen und schenkte nach.
Nail zog seine Fleeceweste aus, stieg auf einen Tisch, klatschte in die Hände und bat um Ruhe. Ein weiterer Toast: »Ich möchte einen guten Mann verabschieden. Auf Wiedersehen, mein Freund.«
In einem Hinterzimmer entdeckte Gus Tüten mit Nachos und füllte sie in ein paar Schalen.
Jane stand neben Nail an der Bar. »Du hast deinen Verband abgenommen.«
»Schätze, dann bin ich wohl wieder vollständig genesen.«
»Ich habe über Funk mit Nikki gesprochen«, sagte Jane. »Sie lässt dich grüßen.«
»Richte ihr aus, sie kann mich am Arsch lecken.«
»Hat sie eigentlich eine Nachricht hinterlassen?«
»Das Miststück hat mir mein Messer geklaut.«
Es wurde heiß im Raum. Jane zog ihren Fleecepullover aus. Darunter trug sie eine schwarze Weste.
»Du hast trainiert?«, fragte Nail.
Jane hebelte den Kronkorken von einer Flasche Bier. »Ich hab euern Fitnessraum übernommen.«
»Okay, dann wollen wir mal sehen, was du drauf hast.«
Ein Tisch wurde freigeräumt, die Besatzung bildete einen Kreis. Nail zog sein Hemd aus, setzte sich hin und
stützte seinen Arm auf, bereit zum Armdrücken. »Wir nehmen die Linke, einverstanden? Ich hab keine Lust, mir noch mal das Handgelenk auszurenken.«
Jane setzte sich in Positur und ergriff seine riesige Pranke.
Gus zählte: »Drei… zwei… eins.«
Nail hatte einen Wolf auf seinen Bizeps tätowiert, aber weder eine Regimentstätowierung am Unterarm noch einen Löwen auf dem Rücken.
Sie drückten. Nail hätte um ein Haar Janes Schulter ausgekugelt, doch obwohl er ihren Arm rasch nach unten drückte, konnte sie knapp verhindern, dass ihre Hand die Tischplatte berührte. Fluchend mühte sie sich ab, schwitzte und knurrte. Sie wollte auf keinen Fall klein beigeben.
Später am selben Abend öffnete Jane eine frische Flasche Bier, ging zum Bug der Hyperion und schaute zur Rampart hinüber. Dort brannten noch immer ein paar Notflutlichter, obwohl längst niemand mehr zu Hause war.
Jane lehnte sich über die Reling und leuchtete mit einer Stablampe nach unten. Ein gutes Stück unterhalb von ihr standen halb erfrorene Passagiere. Sie ließ ihre leere Bierflasche los und schaute zu, wie sie fiel und auf dem Schädel eines infizierten Passagiers zerschellte.
Jemand stand hinter ihr, Nail, eine Flasche in der Hand. Er beugte sich ebenfalls über die Reling, nahm einen kräftigen Schluck Champagner, prustete und schaute zu, wie die Tröpfchen im Fallen gefroren und wie Hagelkörner auf die Schultern der Passagiere prasselten, die unten standen.
»Langweilt dich die Singerei?«, fragte er.
»Karaoke bei einem Leichenschmaus. Scheint mir irgendwie nicht angemessen.«
»Mal hätte bestimmt nichts dagegen gehabt.«
»Wie schlägt sich die Truppe?«, fragte Jane, um überhaupt etwas zu sagen. »Wie ist die Stimmung? Die Jungs ziehen mich nicht eben ins Vertrauen.«
»Ganz gut. Es gibt reichlich Ablenkung an Bord, jede Menge Möglichkeiten, sich die Zeit zu vertreiben. Wir zählen alle schon die Tage bis zum März.«
»Und du, geht’s dir gut?«
»Hervorragend.«
»Hab gehört, du warst in der Armee.«
»Wer hat dir denn das erzählt?«, fragte Nail.
»Weiß ich nicht mehr. Hab’s wohl einfach irgendwo aufgeschnappt. Wie war es denn da?«
»Heiß. Langweilig.«
»Wieso hast du deinen Abschied genommen?«
»Ich bin kein Mitläufer, ich mag es nicht, wenn man mir ständig sagt, was ich tun soll.«
»Kommst du morgen zur Bestattung?«
»Tot ist tot. Nichts, was wir sagen oder tun, wird daran auch nur das Geringste ändern.«
»So schuldig wie nur was«, sagte Jane, als sie wieder in Ghosts Zimmer zurückkehrte.
»Ganz sicher?«
»Er hat Mal umgebracht, da bin ich mir
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