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Wanja und die wilden Hunde

Wanja und die wilden Hunde

Titel: Wanja und die wilden Hunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maike Maja Nowak
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dass die Hunde nie wieder ein Schaf erschrecken werden oder ein Huhn oder sonst irgendetwas aus dem Dorf. Dann bitte ich sie um eine Frist.
    Die Bauern lassen sich für den Moment beruhigen. »Wenn die Hunde noch einmal ein Tier angehen, sind sie tot«, verabschieden sie sich.
    Ich liege wach in dieser Nacht. Wäre Wanja gekommen, als ich ihn rief, hätte ich das Unglück abwenden können. Sicher wären die anderen auch geblieben, wenn er geblieben wäre. Mir wird plötzlich klar, dass doch etwas nötig ist, das der von mir so abgelehnten (weil strengen) Erziehung gleichkommt. Ich fühle mich ohnmächtig und schlecht damit, dass Wanja nicht auf mich hört, wenn es tatsächlich nötig ist.
    Ich muss etwas ändern.
    Am Morgen backe ich Eierkuchen nach eigenem Rezept (mit Zwiebeln und Gewürzen), lasse die Hunde im Hof und gehe durch das Dorf. Ich klopfe bei allen Bauern, die gestern mit auf der Suche waren, bitte um Entschuldigung und erkläre, dass es solch einen Vorfall nie wieder geben wird.
    Als ich bei Baba Mascha klopfe, schlägt ihr Hund an.
    Sie öffnet mir die Scheunentür, ich gehe in den Hof, der Hund schießt auf mich zu und bellt so ohrenbetäubend, dass wir unser eigenes Wort nicht verstehen. Die schmächtige kleine Mascha ruft energisch: » Tschert ticho !« (»Ruhe, verdammt!«)
    Der Hund springt zwei Meter zurück, bellt jedoch weiter.
    Sie bückt sich, hebt ein Stück Holz auf, das neben ihr auf dem Boden liegt, und wirft es nach dem bellenden Hund, ohne ihn zu treffen.
    Der winselt kurz auf und rennt in seine Hundehütte. Ruhe.
    Als ich Baba Mascha nach drei Minuten verlasse, läuft sie mit dem Wasserträger los, um zum Brunnen zu gehen. Der Hund kommt aus seiner Hütte, blickt die Bäuerin freudig ergeben an und begleitet sie schwanzwedelnd. Mascha würdigt ihn keines Blickes. Nicht weil sie ihn nicht mögen würde, sondern weil sie zu tun hat und der Hund für sie eine Selbstverständlichkeit in ihrem Leben darstellt, genau wie die Birken, die um ihr Haus stehen und die sie auch nicht jedes Mal aufs Neue würdigt.
    Mich verblüfft die Tatsache, dass es für den Hund, der gerade gemaßregelt wurde, offenbar die größte Freude darstellt, Mascha begleiten zu können. Sein Verhalten rüttelt an meiner Vorstellung, dass andere Wesen einen nur mögen, wenn man immer freundlich zu ihnen ist.
    Ich selbst bin zu dieser Zeit oft noch so verstört, wenn mich jemand zurechtweist, dass ich automatisch denke, es ginge allen anderen ebenso. »Jetzt wird es nie wieder gut«, ließe sich mein Gefühl der Angst untertiteln, wenn mich jemand auf einen Fehler hinweist oder mir eine Grenze setzt.
    So habe auch ich ein schlechtes Gewissen, wenn ich die Hunde etwas lauter auffordere, dieses oder jenes zu lassen – sie könnten mich danach ja nicht mehr mögen. Zum ersten Mal kommt mir die Idee, dass es vielleicht mein eigenes schlechtes Gewissen ist, das meine Hunde danach noch länger mit eingeklemmtem Schwanz herumlaufen lässt, und nicht die Grenzsetzung selbst. Die Babuschka dagegen zeigte überhaupt keine Emotion, als sie das Holzstück warf. Sie tat einfach, was in ihren Augen zu tun war. Punkt.
    Ich beginne immer mehr in Betracht zu ziehen, dass Grenzsetzungen mitunter nötig sind. Es ist mir jedoch ein Rätsel, wie ich diese bei den Hunden durchführen kann, ohne immer mit einem Wasserkännchen ausgerüstet zu sein oder wie die Babuschka mit einem Holzstück zu werfen.
    Am Abend herrscht im Hof Unruhe. Ich höre Bambino fiepen und einen der größeren Hunde in kurzen Tönen bellen. Ich gehe nachschauen.
    Bambino nimmt gerade einen Stock ins Maul und rennt damit triumphierend auf und ab. »Ganz zufällig« lässt er ihn neben Anton fallen, der sich normalerweise auch sehr für Stöcke interessiert. Anton jedoch legt den Kopf ab und blickt in eine andere Richtung. Mit übertrieben großen Kieferbewegungen beginnt Bambino nun auf dem Stock herumzukauen.
    Während Anton den Halbstarken einfach souverän und beiläufig im Auge behält, verrät der unerfahrene Bambino seine Absichten durch einen ständig hin und her wandernden Blick. Schließlich hält er die offensichtliche Spielabfuhr nicht mehr aus und springt mit einem Satz so über Anton hinweg, dass dieser erschrocken hochfährt und sich nach dem wilden Watz umblickt.
    Ah, das hat funktioniert, scheint sich Bambino zu sagen und rennt erneut auf Anton zu.
    Dieser hebt deutlich warnend die Lefze, doch Bambino gelingt es noch einmal, über Anton hinwegzufegen.

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