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Wanja und die wilden Hunde

Wanja und die wilden Hunde

Titel: Wanja und die wilden Hunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maike Maja Nowak
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sammelt am Morgen im ganzen Dorf die kleinen Herden der einzelnen Höfe ein und bringt sie abends wieder zurück. Viele haben jedoch große Mühe, die weite Strecke zu laufen, die die Tiere zurücklegen, um genügend nahrhaftes Gras zu finden. Deshalb bestechen die Babuschkas gern die letzten überlebenden Djeduschkas mit Selbstgebranntem, damit einer von ihnen ihren Dienst übernimmt. Natürlich finden sich immer ein paar Willige – oder Süchtige, je nachdem, wie man es betrachtet.
    Was bei einem Hunderudel der Leithund ist, ist bei einer kleinen Schafsgruppe in Lipowka eine Ziege. Wenn die große Herde am frühen Abend ins Dorf zurückkehrt, schert die Leitziege im richtigen Moment aus und führt die jeweilige Schafsgruppe zum heimatlichen Hof. Jede Leitziege heißt »Katja«.
    Im ganzen Dorf stehen also Bäuerinnen mit einem Stück Brot in der Hand an ihrem Tor und rufen: »Katja, Katja, Kat… Katja, Katja, Kat… !«
    Meine Frage, warum nicht jede Ziege zur Vereinfachung einen anderen Namen trägt, wird nicht verstanden. »Aber ›Katja‹ ist doch Tradition im Dorf«, erfahre ich von Baba Tasja.
    Dies wird mir noch verdeutlicht, als ich die vor sechzig Jahren zugezogene Baba Pascha nach ihrer Ziege rufen höre: »Malyschka, Malyschka, Malyschka!«, ruft sie jeden Nachmittag ungerührt zwischen all den »Katja«-Rufen um sich herum. In ihrem Dorf, Kadem, gibt es eben andere Traditionen.
    Mir gefällt an Pascha, dass sie nicht versucht, eine »Hiesige« (wie man es nennt) zu sein, obwohl sie bereits den größten Teil ihres Lebens hier gelebt hat. Sie besteht auf ihren eigenen Wurzeln. Davon lerne ich viel für mich als Fremde in Russland.
    Einige Schafe besitzen keine Leitziege. Oft irren diese Tiere verzweifelt mähend durch das ganze Dorf. Irgendwo trifft man dann auf eine suchende Babuschka und beschreibt, wo man die Tiere zuletzt gesehen hat. Die alten Frauen sind nach einem langen Arbeitstag müde, und die Suche nach den Schafen kostet sie die letzte Kraft.
    Wenn die Ziegen und Schafe kommen, sperre ich die Hunde in den Hof, damit sie die Tiere nicht erschrecken und diese davonrennen.

    Die Herde kehrt heim
    Eines Tages jedoch, ich repariere gerade meine Scheunentür, verpasse ich den Augenblick, und als ich aufblicke, sehe ich bereits eine Sandwolke auf uns zukommen. Schnell rufe ich Wanja und die anderen Hunde, die auf dem Weg liegen, um sie in den Hof zu sperren.
    Wanja starrt auf die Sandwolke, die durch die Hufe der Tiere aufgewirbelt wird, schaut bei meinem Rufen ganz kurz zu mir und startet dann durch. Alle Hunde jagen hinterher, bis auf Laska, die auf mein Rufen hin wieder umgekehrt ist. Sie tauchen in der noch etwa dreihundert Meter entfernten Sandwolke unter, und ich sehe einzelne Tiere aus ihr herauslaufen und panisch in alle Richtungen flüchten.
    Die Sandwolke löst sich auf.
    Wanja, Husar, Anton und Bambino verfolgen die Tiere noch ein paar Meter und kommen dann auf mein Rufen hin endlich zu mir zurück. Mit durchgedrückten Gelenken und hoch aufgerichtetem Schwanz stolziert Bambino heran, Wanja läuft fröhlich schwanzwedelnd auf mich zu und gibt mir mit der Schnauze einen freundschaftlichen Handstüber, Anton setzt sich ruhig neben mich. Ich bin nicht in der Lage, ihre Freude zu erwidern, denn mir ist sofort klar, dass wir jetzt ein riesiges Problem haben.
    »Paschli!« (»Verschwindet!«), rufe ich und zeige in Richtung Hof.
    Die vom Tagwerk erschöpften Bauern und ich sind viele Stunden unterwegs, bis wir die letzten Tiere gefunden und zu ihren Höfen gebracht haben. Das halbe Dorf ist auf den Beinen. Niemand spricht mit mir.
    Mir ist schlecht vor schlechtem Gewissen. Ich habe Angst vor den Folgen, jetzt, wo sich gerade alle an die Hunde gewöhnt haben.
    Am späten Abend stehen vier Bauern vor der Tür. Die Hunde scheinen zu spüren, dass Gefahr in der Luft liegt, denn im Gegensatz zu sonst zeigt heute keiner mit Gebell die »Eindringlinge« an. Das ist ihre Rettung.
    »Wo sind die Köter!?«, will Bauer Wassili wissen und fuchtelt mit dem Gewehr herum. »Sie bringen nur Ärger!«, ruft er aufgeregt. Seine Augen suchen die Hunde.
    Die liegen in ihren Kuhlen unter dem Haus. Auch Wanja. Ich war heute Abend so wütend auf ihn, dass ich ihn nicht mit hineinließ.
    Ich bin betroffen, denn ich verstehe den Ärger der Bauern voll und ganz. Ebenso erschrocken bin ich über die Entschlossenheit, mit der sie ihr Vorhaben ausdrücken. Ich bitte sie herein, biete reichlich Wodka an und schwöre,

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