Wanja und die wilden Hunde
eines deutschen Dominosteines, und seine Varianten reichen von mit Schokolade überzogenen Waffelschichten bis hin zu den leckersten Schokoladenfüllungen. Jedes Konfekt ist in Papier eingewickelt, das mit typisch russischen Motiven bedruckt ist.
Für jeden eine Handvoll reichen die Köstlichkeiten dann für eine Woche oder zwei – vorausgesetzt, wir wählen die sparsamste Form des Konfekt-Essens.
Zum Nachmittagstee wird ein Konfekt behutsam ausgewickelt.
Daran gerochen.
Daran geleckt.
»Hmmm!«, gemacht.
Eine winzige Ecke abgebissen.
Das Konfekt zurück auf den Teller gelegt.
Die Winzigkeit im Mund hin- und herbewegt und mit der Zunge berührt, bis nichts mehr davon übrig ist.
Danach wird feierlich ein Schluck Tee getrunken.
Das setzt sich so fort, bis nur noch ein kleines Stück Konfekt übrig ist. Dieses hebt man besonders lange auf, es wird erst zum letzten Schluck Tee in den Mund genommen.
Ein Festmahl eben.
Für die Hunde koche ich zum Festessen drei Töpfe Nudeln, die ich im Winter eingekauft habe, als man sie mit dem Auto über die zugefrorenen Flüsse transportieren konnte. Ich rühre das mitgebrachte Dosenfleisch hinein und gebe Öl dazu und Gemüse.
Da alle drängeln und schieben, als ich mit den Töpfen komme, begehe ich den Fehler und schütte zuerst denen einen Haufen ins Gras, die die größte Unruhe verbreiten, damit sie beschäftigt sind und ich die anderen Portionen in Ruhe verteilen kann. Dies führt jedoch dazu, dass die Ersten bereits wieder fertig sind als die Letzten anfangen, und nun in der Hoffnung um die Fressenden herumschleichen, ein Krümel bliebe übrig.
Es geschieht jedoch nie, dass ein Hund einen anderen von seiner Portion vertreibt. Wer etwas frisst, besitzt es auch. Verhält sich einer der Hunde jedoch einmal so unvorsichtig wie Alma und rennt kurz von seinem Anteil weg (weil es im Dorf geknallt hat und ja außerhalb des Busches Lebensgefahr drohen könnte), ist es sehr wahrscheinlich, dass ein anderer meint, man wäre an der Speise nicht mehr interessiert. Dann verschwindet das Futter in Windeseile im Bauch dieses Hundes.
Bei künftigen Festessen verteile ich das Futter zuerst im Garten, während die Hunde im Hof warten, und lasse dann alle gemeinsam hinaus. Es kommt dann mitunter zu kleinen Drohgebärden, wenn zwei Hunde zufällig zur gleichen Zeit dieselbe Futterstelle erreichen. Diese Situation löst sich jedoch immer so auf, dass sich beide nach einem kurzen, mitunter jedoch auch ausführlichen Lefzenheben und/oder Starren das Futter friedlich teilen oder einer von ihnen auf eine andere Futterstelle ausweicht. Zu einer wirklichen Auseinandersetzung ist es in der Gruppe wegen des Futters nie gekommen.
Wo ist Baba?
Seit Baba blind ist, nehme ich sie mit ins Haus, um für sie zu sorgen. Sie liegt dort die meiste Zeit auf einem kleinen Teppich neben meinem Bett, hat alle viere in die Luft gestreckt und schläft selig. Sie kommt nur noch selten zu Gängen nach draußen mit. Oft bleibt sie freiwillig im Haus und freut sich dann – mit ihrem kleinen Stummelschwänzchen wackelnd – wieder über unsere Heimkehr.
Eines Morgens spüre ich beim Aufwachen etwas Warmes, Weiches an meinen Füßen. Die kleine Baba hat sich einen neuen Schlafplatz unter meiner Bettdecke gesucht, wo sie nunmehr jede Nacht anzutreffen ist. Eine Woche lang teilen wir so unsere Träume.
Ihr Bedürfnis nach Nähe scheint mir auch am Tage noch zugenommen zu haben, denn sie bemüht sich, immer dicht bei mir zu bleiben, wenn ich im Haus bin. So wundert es mich sehr, als ich mit den anderen von den Babuschkas und vom Fluss nach Hause komme und Baba mir nicht wie sonst entgegenläuft. Ich suche sie und kann sie nirgendwo entdecken. Es bringt mich schier zur Verzweiflung, dass sich die Hündin, die ich im Haus zurückgelassen habe, in Luft aufgelöst zu haben scheint.
War sie vielleicht doch im Hof? Ich sehe das Bild deutlich vor mir: Baba liegt auf meinem Bett, und auf meine unausgesprochene Frage, ob sie mit uns kommen will (die ich ihr nur durch einen Blick stelle), antwortet sie deutlich, indem sie wegschaut und den Kopf ablegt.
Wo ist Baba?
Ich laufe zu Vera. Gemeinsam suchen wir die Hündin.
Drinnen.
Draußen.
Auch noch nachts.
Baba bleibt verschwunden.
Am nächsten Tag greife ich nach einem Hocker, vor dem die Wassereimer stehen, um ihn als Tritthilfe zu benutzen. Er hat sich irgendwo festgeklemmt, und ich kann ihn nicht anheben. Ich schiebe die Eimer weg und schaue unter den Hocker.
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