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Wanja und die wilden Hunde

Wanja und die wilden Hunde

Titel: Wanja und die wilden Hunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maike Maja Nowak
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Er hat in der Mitte zwei Querhölzer, die ihm Stabilität verleihen sollen. Darüber liegt Baba. Sie ist offenbar bei dem Versuch gestorben, über die Hölzer zu steigen, um eine Höhle hinter dem Hocker zu finden. Da ihr Körper bereits erstarrt ist, liegt er wie festgeklammert über den Hölzern.
    Zitternd und weinend laufe ich durchs Dorf zu Vera. Vera bricht ebenfalls zusammen. Sie kann und will sich das Ganze erst gar nicht anschauen.
    Wir laufen beide zu Petja, dem einzigen Bauern, der keinen Alkohol trinkt, erzählen, was vorgefallen ist, und bitten ihn, die tote Baba zu befreien. Petja hebt ratlos die Achseln, und man sieht ihm an, dass er nicht versteht, warum wir so außer uns sind.
    »Aber was hat denn ein Hund im Haus zu suchen?«, ist die einzige Frage, die ihn beschäftigt.
    Wir bitten ihn, den Hocker kaputtzusägen und Baba vorsichtig zu befreien, um sicherzugehen, dass er bei der Aktion nicht doch mehr Rücksicht auf die Unversehrtheit des Möbelstücks als auf die des Tieres nimmt. Später bringt er Baba in den Garten, wo wir gerade ein Grab ausheben, und fragt, wo er sie wegwerfen soll. Ich nehme ihm Baba kommentarlos aus dem Arm. In diesem Moment habe ich nicht einmal mehr die Kraft für Fassungslosigkeit.
    Alle Hunde schnüffeln an Baba. Einige nur ganz kurz, andere lang und konzentriert. Im Gegensatz zu uns scheint sich für sie jedoch nichts zu verändern. Felix und Bambino, Wasja und Anton spielen zusammen. Wanja und Laska liegen nebeneinander in der Sonne und dösen. Husar blickt den spielenden Hunden zu. Alma hat sich ein wenig abseits gesetzt und schnüffelt auf dem Boden um sich herum. Milyi ist der Einzige, der drei Meter neben Baba liegt und immer wieder hinüberläuft, um an ihr zu schnüffeln.
    Als ich Baba in die Erde lege, sehe ich in ihr kleines Gesicht. Das Schicksal hat ihr einen Sekundentod geschenkt, der ganz friedlich gewesen sein muss. Wenn es auch bei Hunden Engel gibt, dann gehörte Baba schon vor ihrem Tod zu ihnen.

Die Überraschung
    Eines Abends komme ich mit Vera vom Fluss. In der Ferne sehen wir plötzlich einen riesigen Lichtschein.
    » Pozhar !« (»Ein Brand!«), ruft Vera und rennt los.
    Obwohl ich die Vokabel nicht kenne, verstehe ich doch ihre Bedeutung und laufe hinterher. Wir stolpern beide über ein Feld zu Baba Olgas Haus, das bereits die Hälfte der Dorfbewohner zu löschen versucht. Es steht am Hauptweg, dem einzigen Weg, an dem die Häuser dicht aneinander aufgereiht sind. Würde sich das Feuer ausweiten, wären alle Nachbarhäuser in Gefahr.
    Da gerade große Dürre herrscht, brennt das Holz wie Zunder. Es ist schrecklich, mit ansehen zu müssen, wie einem Menschen das Haus niederbrennt, in dem er schon sein ganzes Leben verbracht hat.
    Eine Menschenkette führt vom hundert Meter entfernt liegenden Brunnen bis zum Haus. Einige löschen mit Wassereimern, andere schippen Sand vom Weg und vom Feld in ihre Eimer und versuchen, die Flammen damit zu ersticken. Vera stürzt zum Brunnen, um einen Großvater beim Wasserhochholen abzulösen, ich hebe verzweifelt die Hände, weil ich keinen Eimer habe.
    » Wedro ?! Wedro ?!«, rufe ich und ein vorbeihastender Großvater schreit mir, ohne stehen zu bleiben, zu: » Ot ljubogo doma !« (»Aus irgendeinem Haus!«)
    Ich renne in die Nachbarhäuser, deren Türen alle offen stehen, und finde in der Küche des dritten noch einige Eimer. Mit dreien davon bewaffnet laufe ich zurück, mein Herz schlägt gegen meine Bauchwand vor Angst. Ich werfe einen Eimer für den nächsten Hinzukommenden auf den Boden und fülle die beiden anderen Eimer mit Sand, um diesen auf die Flammen zu kippen, die den rechten Hausflügel ergriffen haben. Selbst die ganz Alten legen ein enormes Tempo vor bei diesem Löschversuch, und die Menschen arbeiten zusammen wie die Zahnräder eines Uhrwerks.
    Ich habe kein Zeitgefühl. Es mag sechzig Eimer später sein, als die letzten glimmenden Stellen verschwunden sind. Olgas Küche ist nicht mehr benutzbar, aber der Rest des Hauses ist gerettet. So erleichtert wir über dieses Ergebnis sind, so sehr steht doch auch der Schock in allen Gesichtern geschrieben.
    An meiner Feuerstelle im Hof gebe ich jetzt spätabends penibel acht, dass keine Glut den Kreis der Steine verlässt und sie vollständig gelöscht ist, bevor ich schlafen gehe. Die Hunde lieben diese nächtliche Runde. Nachdem alle Heulkonzerte im Dorf verstummt sind, kommen auch sie zur Ruhe und legen sich – je nach Laune – etwas weiter weg oder

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