Wann tranken die Türken ihren Kaffee vor Wien?: Weltgeschichte - alles, was man wissen muss (German Edition)
und des Transportwesens, »industrielle Armeen, besonders für den Ackerbau«, unentgeltliche Schulerziehung. Am Schluss des von ihm und seinem Freund und Sponsor Friedrich Engels verfassten Kommunistischen Manifests folgt der Aufruf zum gewaltsamen Umsturz, denn »die Proletarier haben nichts zu verlieren außer ihren Ketten«.
1871
»VÖLKER HÖRT DIE SIGNALE auf zum letzen Gefecht/die Internationale erkämpft das Menschenrecht.« Das Kampflied der internationalen sozialistischen Arbeiterbewegung entstand 1871. Die Erste Internationale wurde aber kurz danach aufgelöst. Englische Gewerkschafter und französische Emigranten hatten sie 1864 gegründet, sie war von Marx, der in London im Exil lebte, programmatisch bestimmt. Hier flossen die verschiedenen sozialistischen Strömungen zusammen. Einer ihrer Hauptakteure war der erprobte anarchistische Revolutionär Michail Bakunin, der aus einer adligen russischen Familie stammte. Schon 1848 hatte er gemeinsam mit seinen Freunden Richard Wagner und Gottfried Semper, dem Opernhaus-Architekten, auf den Dresdner Barrikaden gestanden. Nach Gefangenschaft, Haft und einem unfreiwilligen Umweg über Sibirien kehrte Bakunin nach Europa zurück und zettelte noch allerlei revolutionäre Umtriebe an, gelangte aber zu der Ansicht, dass es mit Regimewechseln allein nicht getan sei. Bakunin lehnte jede Form von Herrschaft ab, auch die des Proletariats, die Marx forderte. Am Gegensatz dieser beiden Positionen zerbrach die Erste Internationale. Die Zweite Internationale, gegründet 1889 in Paris, war dann eher eine lockere Dachorganisation mittlerweile etablierter sozialistischer und sozialdemokratischer Parteien. Sie machte den 1. Mai zum internationalen Kampftag der Arbeiterschaft.
SOZIALISTENGESETZE UND SOZIALGESETZGEBUNG Nach zwei Attentaten auf Kaiser Wilhelm I. (Regierungszeit 1871–1888), die Bismarck propagandistisch, aber zu Unrecht, mit der Sozialdemokratie in Verbindung brachte, gelang es ihm 1878, im Reichstag ein Gesetz ausdrücklich »gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie« durchzubringen. Seinerzeit wurde zwischen sozialistisch und sozialdemokratisch kein Unterschied gemacht. Die Sozialdemokratie wurde nicht verboten, es gab weiterhin Reichstagsabgeordnete der SPD, aber ihre Wirkungsmöglichkeiten (Verbreitung von Druckschriften, Abhalten von Versammlungen) waren künftig eingeschränkt.
Gleichzeitig war Bismarck klar, dass die soziale Lage der Arbeiter verbessert werden musste. Er führte eine Sozialgesetzgebung ein, auf der das gegenwärtige Sozialsystem der Bundesrepublik beruht: Krankenversicherung (1883), Unfallversicherung (1884), Alters- und Invalidenversicherung (1889). Sie wurde auch im Ausland zum Vorbild.
UNABHÄNGIGKEITSBEWEGUNGEN
Mit der Griechischen Revolution, dem Aufstand der Griechen gegen die türkischen Osmanen seit 1821, beginnt die Geschichte der modernen Freiheitsbewegungen. Bei derartigen »Revolutionen« handelt es sich immer um Nationalrevolutionen oder Nationalbewegungen gegen eine »fremde« Vormacht oder Kolonialmacht. Der Freiheitskampf der Griechen, begonnen noch zu Lebzeiten Goethes und Beethovens, war eine europäische Angelegenheit. Durch ganz Europa ging eine Welle des Philhellenismus: Der antikenbegeisterte bayerische König Ludwig I. spendete reichlich, der romantische englische Dichter Lord Byron eilte nach Griechenland, nahm an den Kämpfen teil und starb dort im Alter von 32 Jahren, Alexander Puschkin war Mitglied der zivilen Befreiungsorganisation. Der Unabhängigkeitskrieg wurde durch eine europäische militärische Intervention entschieden und 1830 ein territorial kleines Griechenland als konstitutionelle Monarchie mit dem Wittelsbacher Prinzen Otto als erstem König errichtet. Die neue Hauptstadt Athen war damals mit 2000 bettelarmen Einwohnern nicht größer als ein Dorf. Als nächster europäischer Staat erreichte Belgien 1830 seine Unabhängigkeit von den Niederlanden. Der neue belgische König Leopold aus dem Haus Sachsen-Coburg-Gotha war ein Verwandter der englischen Königin Victoria.
1821
SIMÓN BOLÍVAR Die heutigen Staaten Venezuela, Kolumbien, Panama, Ekuador, Peru und das nach ihm benannte Bolivien verdanken dem großen Führer der südamerikanischen Unabhängigkeitsbewegung von der spanischen Herrschaft ihre Existenz. Der aristokratische Bolívar (1783–1830) führte den Befreiungskampf, der ohne dramatische Gemetzel ablief, zuerst militärisch und
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