Wann tranken die Türken ihren Kaffee vor Wien?: Weltgeschichte - alles, was man wissen muss (German Edition)
Welt als erste Freiheits- und Verfassungsurkunde betrachteten Magna Charta ließen sich die englischen Adligen althergebrachte Lehensrechte bestätigen und gegen willkürliche Übergriffe der Krone sichern. Sie betraf aber auch den Bauernschutz, Handelsfreiheiten mit auswärtigen Kaufleuten und ein Widerstandsrecht gegen unrechtmäßige Akte der Krone. Erst als Johann die Magna Charta am 15. Juni 1215 unterschrieben hatte, erneuerten die Barone am 19. Juni ihren Treueid. Noch die Verfassung der Vereinigten Staaten (1787) bezieht sich auf dieses Dokument.
KIRCHE UND KETZER
Im Jahr der Magna Charta hielt Papst Innozenz III. das Vierte Laterankonzil ab. Kurz zuvor waren im Süden Frankreichs die Katharerkriege entbrannt, angeführt von den französischen Königen Philipp II. und seinem Sohn Ludwig VIII. als Kreuzzug gegen die »Ketzer«. Das war der große Auftakt zur Ketzerverfolgung im Spätmittelalter.
1215
VIERTES LATERANKONZIL Sitz des Papstes in Rom war seit der Antike und während des gesamten Mittelalters nicht der Vatikan, sondern die am Rande des antiken und erst recht des mittelalterlichen Roms gelegene Basilika S. Giovanni in Laterano, St. Johannes im Lateran, kurz »Lateran«.
Dort wurden mehrere Konzilien abgehalten, das bedeutendste war das vierte Laterankonzil 1215 unter Innozenz III. Viele seiner Beschlüsse haben heute noch Wirkung. Das Konzil war mit 1200 Äbten und Bischöfen stark besucht, und Innozenz III., gelernter Kirchenrechtler, war bestens vorbereitet. Siebzig Dekrete und Dogmen lagen fertig formuliert bereit zum Abnicken. Die Zahl der Sakramente wurde auf sieben festgelegt; die Heiligen- und Reliquienverehrung bedurfte jetzt der päpstlichen Kanonisation; die Ehe wurde zum Sakrament erklärt. Vor allem aber gab es nun ein verbindlich formuliertes Glaubensbekenntnis – eine wichtige Voraussetzung zur Feststellung der Abtrünnigkeit.
1208–1229
KATHARER Der Katharerglaube war ein asketisches, ethisch strenges Christentum: Die Welt galt ihnen als »böse«, weil vom Teufel beherrscht. Nur durch gutes Verhalten und Reinheit lässt sich das Gottesreich gewinnen; griechisch katharos bedeutet »die Reinen«. Von »Katharer« ist das Wort »Ketzer« abgeleitet. Die Aufnahme in die katharische Kirche, die sich durch presbyterhafte Züge mit flachen Hierarchien auszeichnete, erfolgte durch Handauflegen, die sogenannte Geisttaufe. Bei ihnen verband sich eine als häretisch angesehene Praxis erstmals mit einer Volksbewegung.
Der südfranzösische Adel stand gegen König Philipp und hinter den Katharern. Philipp und sein Sohn Ludwig VIII. führten die Kriege mit großer Grausamkeit. In Béziers wurde die Bevölkerung 1209 massakriert. Mit der dramatischen Belagerung der letzten katharischen Bergfestung Montségur und der Ausrottung der Katharer war Südfrankreich dann fest in französischer Hand und die katharische Ketzerei für die Kirche beseitigt.
ca. 1230
INQUISITION Natürlich waren von der Kirche erfahrene Prediger, vor allem aus dem Zisterzienserorden, zur Bekehrung der Abtrünnigen entsandt worden. Unter ihnen auch der junge Dominikus, der Begründer des Dominikanerordens, in dessen Händen von da an die Inquisition lag.
Ein Konzil in Toulouse regelte 1229 im Wesentlichen das Verfahren der inquisitio haereticorum , der »Untersuchung der Häretiker«. Die Beschuldigten hatten durchaus Rechte im Verfahren, das auf Verhör und Zeugenbefragungen hinauslief. Es gab sogar »Freisprüche«, falls die häretische Gesinnung nicht erwiesen werden konnte. Man war nicht darauf aus, alle Ketzer auf dem Scheiterhaufen zu verbrennen, meistens genügten den Inquisitoren Bußübungen. Die Mitwirkung des »weltlichen Arms« bei der Ketzerverfolgung hatte der junge Kaiser Friedrich II. schon 1220 genehmigt und die Verbrennung als Todesstrafe für hartnäckige Ketzer verfügt. Die Folter wurde im Inquisitionsprozess erst 1352 durch Papst Innozenz VI. genehmigt. Die besonders krassen Autodafés (Ketzerverbrennungen) in Spanien und der Großinquisitor wurden erst 1478 eingeführt. In Deutschland spielte die Inquisition bis zum Beginn der Hexenprozesse um 1450 kaum eine Rolle.
Die Inquisition erscheint heute so gewaltsam, weil Strafprozesse über Glaubensfragen geführt wurden; das ist wegen der Religionsfreiheit mittlerweile undenkbar. Auch die Anwendung der Folter ist natürlich nicht mehr erlaubt. Andererseits war sie prozessrechtlich gesehen insofern »modern«, weil
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