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Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war: Roman. Alle Toten fliegen hoch, Teil 2 (German Edition)

Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war: Roman. Alle Toten fliegen hoch, Teil 2 (German Edition)

Titel: Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war: Roman. Alle Toten fliegen hoch, Teil 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Meyerhoff
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Hunderte Menschen von der Außenwelt abgeschnitten. Zum Teil haben sich dramatische Szenen abgespielt. Nur durch die Unterstützung der Bundeswehr konnte Schlimmeres verhindert werden.« Luftaufnahmen der im Schnee erstickten Landschaft wurden gezeigt. Ganze Dörfer waren unter Tonnen von Weiß begraben, die Türme der Dorfkirchen der einzige Anhaltspunkt.
    Da schwenkte die Kamera von der welligen Weite der Schneewüste plötzlich ins Innere eines Hubschraubers. Ich sprang vom Boden auf! Da saß mein Vater, hielt sich mit der Hand an einem Griff fest und sprach in die Kamera: »Ja, auch wir in der Kinder- und Jugendpsychiatrie Hesterberg haben gerade sehr mit dem Schnee zu kämpfen. Eben waren wir in Kiel. Wir haben einen unserer Patienten dort ins Krankenhaus geflogen. Jetzt sind wir unterwegs, um ein Mädchen in Lebensgefahr mit Insulin zu versorgen!« Auch meine Brüder waren aufgestanden und konnten kaum glauben, was sie da sahen und hörten. Kurz darauf wurde Sohn Meisner gezeigt, wie er in einem Schneefeld mit einem an eine Latte gebundenen roten Hemd winkte. Langsam kam der Boden näher. Unser Wochenendhäuschen und auch der Altenteil waren nichts weiter als zwei weiche, unter dem Schnee begrabene Hügel in der Landschaft. Mein Vater kletterte unbeholfen aus der Luke des Hubschraubers, arbeitete sich geduckt unter den sich verlangsamenden, Furcht einflößenden Rotorblättern zu Sohn Meisner hinüber. Sie betraten das vermüllte Haus, die Kamera folgte ihnen ins Innere. Da der Strom ausgefallen war, brannten Kerzen. Michaela lag aufgebahrt und sichtlich erschöpft auf dem Sofa. Sie rollte mit den Augen, und mir schien es kaum glaubhaft, dass es nicht gespielt war. Während man sah, wie mein Vater ihr das Insulin spritzte, ging der Bericht weiter: »Hier wurde ein Mädchen in letzter Sekunde gerettet und später zusammen mit ihrem Bruder in eine der Notunterkünfte ausgeflogen. Da der Wind nachgelassen hat, hofft man in Schleswig-Holstein in den nächsten Tagen auf eine leichte Entspannung der Lage. Von Entwarnung kann aber noch keine Rede sein, da nach wie vor sämtliche Straßen unpassierbar sind. Das Fahrverbot hat weiter Bestand.«
    Ich setzte mich auf den Schoß meines Vaters. Er legte seine Arme um mich und drückte mich an sich. Meine Brüder setzten sich auf die Sessellehnen. »Hattest du nicht furchtbare Angst?«, fragte ihn mein mittlerer Bruder. Mein Vater überlegte einen kurzen Moment, und dann sagte er mit völliger, fast heiterer Offenheit – einer Offenheit, nach der ich mich später oft sehnen sollte: »Doch, sehr, aber das hat mir überhaupt nichts ausgemacht.«
    Drei Tage nachdem er sich in unser aller Augen zum Insulingott und Hubschrauberhelden aufgeschwungen hatte, hörte es endlich auf zu schneien. Als Arzt hatte mein Vater eine Sondererlaubnis und durfte sein Auto benutzen. Zwischen meterhohen Schneewänden fuhren wir im Schneckentempo durch die nach und nach wieder freigeräumte Stadt. Durch einen mir bis heute rätselhaften Denkfehler war ich mir sicher, dass aus den Schneemassen eine vollkommen verwandelte Kleinstadt hervortauen würde. Dieser ganze Schnee, so malte ich mir aus, war doch wie ein kühler Kokon um uns alle herumgewoben worden. Doch was da schlüpfte, war keine zauberhafte Kleinstadt. Es war dasselbe nasse, matschige Kaff wie vor der Katastrophe. Ein paar Tage lang schien noch kalt die Sonne, und alles sah aus wie in einem Skiparadies ohne Berge.
    Nachdem ich zwei Tage lang den winzigen Schlittenberg geschätzte dreitausendmal hochgelaufen war, um ihn ganze vier Sekunden lang herunterzurasen, überlegte ich mir etwas anderes. Durch eine letzte Aktion wollte ich diesem Jahrhundertwinter huldigen. Ich nahm mir meine Gummistiefel, steckte sie in zwei Plastiktüten, die ich mit Einmachgummis am Schaft der Stiefel befestigte, und spazierte zusammen mit unserem Hund in den Wald. Dort begann die lange Gerade, auf der die Laufambitionen meines Vaters so kläglich gescheitert waren. Ich hielt die Hundeleine mit beiden Händen fest, ging in die Hocke und rief: »Los, lauf! Lauf!« Der Hund setzte sich in Bewegung und ich glitt hinter ihm her. Er wurde schneller und schneller. Durch die dünnen Sohlen der Gummistiefel spürte ich jede kleinste Bodenwelle. In vollem Galopp fegte der Hund über die Waldwegrennbahn und zog mich in rasendem Tempo hinter sich her. Bis zum Ende ging das so!
    Als ich nach dieser Flachland-Schussfahrt zum Stehen kam, ließ ich mich in den Schnee fallen,

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