Wanted
Pferd nicht im Laufe der Jahre so einen absonderlichen Sinn für Humor entwickelt.
»Nur noch ei- eieiei- eine Minute!«
Eva und ich sahen uns an, und ihre Wangen glühten und ihre Augen blitzten vor kaum unterdrückter Wut.
»Warum?«, fragte ich lahm und kam mir wie ein Schwachkopf vor dabei.
»Weil Beau Rivage unser ist!«, zischte sie. »Beau Rivage gehört jetzt meiner Familie, es gehört uns, uns, uns!« Verrückt. Verrückt vor Habgier wie ihre ganz Sippe.
Lass sie. Lass sie doch alle zusammen glücklich werden mit der Ranch, hätte ich fast gedacht. Doch dazu war es jetzt zu spät.
Der Schecke zuckte und tänzelte, als aus Richtung Buttercup ein feuchter, fast schon schmatzender Knall ertönte.
»Zündung!«, schrie Doc Tatters. »Wir müssen sofort los!«
Gleichzeitig näherten sich Rufe, Schüsse, Hufgetrappel von der Ranch her. Und Shits', Bro Hos, Panchos und Doc Tatters' Stimmen begannen sich zu überschlagen, so brüllten sie alle auf mich ein, um mich zum Aufsteigen zu bewegen.
Ein Wind wehte durchs Amish Valley und er trug einen galligen Mief und ein monströses Gurgeln mit sich.
Eva und ich standen immer noch auf dem Bahnsteig, einander gegenüber, unfähig, uns voneinander zu lösen. Dies war ein Moment für große Abschiedsworte, doch verdammt, ich war müde, also sprach ich aus, was mir gerade durch den Kopf ging: »Vielleicht«, sagte ich, »werde ich ganz einfach homosexuell.«
»Komm endlich! Wir fahren jetzt! Ob mit oder ohne dich!«, hörte ich Shits schreien.
»Waffen weg und Hände hoch und keinem passiert etwas!«, vernahm ich einen öligen Bariton, begleitet von donnernd nahenden Hufen und den fast schon obligatorischen Gewehrsalven.
Der Schecke riss den Kopf herum, blickte hinter sich, scheute, wieherte gellend, stürmte davon, und irgendwie riss er mich damit aus meiner Erstarrung.
Die Draisine rollte schon, als ich aufsprang.
Falco stürmte uns voran in lang gestrecktem, vollem Galopp, in unübersehbarer Panik, getrieben von etwas in unserem Rücken.
Und jetzt hörten wir es alle. Ein gurgelndes, mahlendes Donnern, ein Geräusch von weicher und doch vollkommen unaufhaltbarer Wucht.
Wenn ich Beau Rivage nicht haben kann, dachte ich, dann .
Nicht eine einzige Kugel folgte uns.
Es hätte auch keinen Unterschied mehr gemacht.
Selbst der schlimmste Hagel von Geschossen vermag nicht das Grauen auszulösen, das uns beim Anblick dieser riesigen, schwarzbraunen Wand aus . nennen wir es Wasser, aus Schlamm und Geröll überkam, die sich auf ihrem Weg talabwärts von keinem noch so großen Hindernis auch nur verzögern ließ. Geschweige denn aufhalten. Gurgelnd, schäumend, kehlig röhrend schien sie uns, und mit uns alles und jeden auf ihrem Weg verschlingen zu wollen wie ein nasses, von Unersättlichkeit getriebenes Monster.
Der Wald an den Hängen links und rechts des Tales knickte unter der Gewalt der Woge wie Präriegras unter den Rädern der Planwagen. Die Verladestation wurde zermalmt und weggeputzt wie ein Praline von einer Frau auf Diät. Man konnte nur ahnen, was mit dem Ranchgebäude unterhalb der beiden Hügel geschah. Schaumige Gischt tobte dort und mehr war nicht zu sehen.
Wenn ich Beau Rivage nicht haben kann, dachte ich, dann soll sie keiner kriegen.
»Jetzt kriegt sie keiner«, keuchte Pancho, der mit dem Rücken zur Fahrtrichtung schuftete, und es wurde nicht ganz klar, ob er von der Ranch sprach oder der Bürgermeisterstochter, deren hellgelbes Cape noch zwei- oder dreimal an verschiedenen Punkten der walzenden Wassermasse aufgetaucht war. Ähnlich Starskis weißem Hut. Und dem einen oder anderen bedauernswerten Pferdeleib.
Und sie rollte näher, die Woge, sie holte auf. Alle pumpten die Schwengel in einem Tempo, bis wir selbst Boden auf den gestreckt galoppierenden Schecken gutzumachen begannen, und doch walzte sie näher und immer näher. Ich hätte mich mit auf die Schwengel geworfen, doch es waren nur vier und die waren bemannt und so blieb mir nur der Job des Ausgucks oder Steuermanns, ganz wie man will.
»Eine Achtelmeile noch!«, schrie ich. »Wir müssen es nur noch über die Brücke schaffen!«
Die Brücke über den Amish River. Der Weg über das Wasser. Tom-Tom hatte mich über die vielen Facetten des Verbs >nehmen< aufgeklärt.
»Den Weg nehmen«, hatte er gesagt, »kann eine Menge bedeuten. Von >wählen< bis >befahren<. Aber >nehmen< kann man durchaus auch anwenden im Sinne von >greifen<, >packen<, >wegnehmen<«, hatte er zufrieden
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