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Wanted

Wanted

Titel: Wanted Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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unter beiden Armen, »überhaupt nach Buttercup zu kommen. Und was er vorhat, das ist doppelter Wahnsinn.«
    »Wie«, wunderte sich Bro Ho, bis zur Schulter in einem Vorratssack verschwunden, »du meinst, er soll einfach so auf sein Erbe verzichten?«
    »Er hat kein Erbe mehr!«, schimpfte Pancho.
    »Sein Vater hat die Hypothekenzinsen für die Ranch nicht mehr bezahlt -«
    »Weil Thysson ihn in den Bankrott getrieben hat«, knurrte Shits dazwischen.
    »- und deshalb wird sie übermorgen zwangsversteigert und fertig.«
    »Damit Thysson sie sich für 'n Appel und 'n Ei untern Nagel reißen kann«, knurrte Shits. »So, wie er es schon seit Jahren vorhatte.«
    »Ja, nun. Da kann man eben nichts machen.«
    »Abwarten«, meinte Bro Ho gemütlich. »Bis übermorgen fließt noch viel Wasser den Amish River hinunter.«
    »Was man so Wasser nennt«, knurrte Shits, warf eine brennende Zigarettenkippe auf die zu einem Kegel geschichteten Äste, nahm einen Schluck aus der Pulle, spie ihn auf die Kippe und das Lagerfeuer brannte lichterloh.
    Shits saß mit dem Rücken zum Lagerfeuer, seinen Colt auf den Knien vor sich, und spähte ins Tal hinab. Bro Ho schälte Kartoffeln in einen Topf, während Pancho hin und her rannte und unermüdlich weitere Äste und Knüppel auf einen Everest von Vorratsholz stapelte. Über uns neigte sich eine Felswand talwärts, Schutz vor Regen, Blicken und herabgeworfenen Brocken bietend. Ich fand's richtig gemütlich.
    Es gab Bohnen, Kartoffeln und Speck, anschließend kreiste die Flasche, und ab der dritten oder vierten Runde konnte sogar Pancho sie an den Mund führen, ohne dabei wie eine Flamencotänzerin zu klingen. Ich drehte Zigaretten für alle und dachte gerade, wie viel entspannter das Leben in der Natur doch ist, verglichen mit dem in der hektischen Stadt, als ein kalter Hauch über meinen Nacken strich und eine raue, trockene Stimme an mein Ohr drang. Sie sagte:
    »Könnt ich vielleicht auma ne Fluppe ham?«
    Shits stand, Augen wild, Colt gezogen, Pancho fiel mit einem erstickten Schrei nach hinten um, Bro Ho spuckte vor Überraschung Fusel ins Feuer, was eine Stichflamme zur Folge hatte. Im plötzlichen, grellen Licht kauerte etwas einer Ausgeburt der Hölle nicht Unähnliches an meiner rechten Seite. Wimpernlose Augen über einem Loch anstelle einer Nase, darunter ein Mund ohne Lippen, gerahmt von eingefallenen Wangen, alles behängt mit Fetzen von Haut und wirrem, dürrem, langem, staubigem Haar, gekrönt von einem zerflusten, in der Mitte geknickten Zylinder.
    »Jesus, Maria und Joseph«, sagte Bro Ho, nachdem er mit Husten fertig war, und starrte mit offenem Mund.
    »Eine Ausgeburt der Hölle!«, kreischte Pancho, dass es dreißigmal aus der Dunkelheit zurückechote. »Schieß ihn nieder, Shits! Schieß ihn nieder, Shits! Schieß ihn nieder, Shits .« (Das muss man sich jetzt noch rund siebenundzwanzigmal vorstellen, langsam leiser werdend, und dabei, ähnlich dem Refrain eines Kanons, immer wieder kontrapunktiert mit >Ausgeburt der Hölle<.)
    »Na, na«, meinte die Ausgeburt, als das Echo allmählich abnahm. »Ich hab doch bloß gefracht, obbich nich vielleicht auma ne Kippe ham könnte. Da is doch nix dabei.«
    Ich reichte ihm meine, die ich gerade erst angesteckt hatte.
    »Aah, danke auch. Kannich getz aufstehn, ohne datt mir datt Lurchauge ein'n aum Pelz brennt?«
    Ich winkte Shits, sich zu entspannen.
    Die Ausgeburt erhob sich zu hagerer Größe. Jacke, Hose, Stiefel - alles an ihr wirkte, als ob die kleinste Berührung es zu Staub zerfallen lassen würde. Skelettdürre Finger führten die Zigarette an die gebleckten Zähne und ein scharfer Hauch zog den Rauch hindurch. Nur Sekunden später trat er an allen möglichen Ecken und Enden der Gestalt wieder aus.
    Pancho besah sich das Schauspiel mit riesigen Augen, kaute auf der Krempe seines Hutes herum und wimmerte leise.
    »Aahh, datt bringdet doch, echt. Darf ich mich vorstellen? Tom-Tom der Name, mitten Bindestrich inne Mitte. Wir Kerls heißen hier alle so. Zig-Zig, zum Beispiel, oder Frou-Frou .«
    »Frou-Frou?«, fragte Bro Ho, der als Erster die Fassung wiedererlangt zu haben schien. »Was ist 'n das für 'n Name für 'nen Mann? Also ich kannte mal 'ne Frou-Frou in Tucson. Hat mich zwanzig Dollar gekostet, die Bekanntschaft.«
    »Ja?« Tom-Tom schien höflich interessiert. »Hier bei uns is Frou-Frou en Kollege von sieben Fuß Höhe und dreihundert Fund Moder auffe Rippen, deret überhaupt nich ab kann, wenn einer Witze über

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