Wanted
summte dazu, was er für den entsprechenden Ton hielt.
Tom-Tom sah mich an und Panik spiegelte sich in den Resten seiner Physiognomie.
»Sollen wir mal 'ne kleine Kontrollrunde drehen?«, schlug ich ihm vor und er sprang geradezu auf die Füße.
»Von mir aus auch 'ne große«, meinte er, und trotz unseres hastigen Aufbruchs schaffte Pancho es noch, >Where are all the flowers gone?< anzustimmen, bevor wir auch nur halbwegs außer Rufweite waren.
»Watt'n Glück, datt mir die Ohren schon abgefallen sind«, raunte Tom-Tom und blickte schaudernd zurück zum Feuer.
Ich spitzte die Ohren und schnarchte gleichzeitig sachte vor mich hin. Wir hatten hohen Besuch - was heißt >wir<, Menden hatte -, und ich wollte Polizeichef Stankowski das Gefühl vermitteln, sich offen äußern zu können.
»Ich hab mit dem Doktor gesprochen«, knurrte er in markantem Bariton. Es war eine Stimme, die es gewohnt war, Befehle zu erteilen. Auch über größere Distanzen oder eine Vielzahl von Köpfen hinweg. »Gehirnerschütterung und Gedächtnisschwund gehen sozusagen Hand in Hand. Das kriegen wir, wenn wir wollen, schriftlich begutachtet.« Hier aber, in diesem Krankenzimmer zu nächtlicher Stunde, hatte er den >Nun lassen Sie uns doch alle mal vernünftig bleiben<-Modus aufgelegt. »Also«, meinte er mit väterlicher Ruhe, »worauf ich hinauswill, ist dies: Ich gehe in zwei, höchstens drei Jahren in Ruhestand. Da kann doch keiner wollen, dass mein lebenslanger Einsatz für Recht und Gesetz auf einen . sagen wir . Missklang endet. Oder?«
Keine Antwort. Zumindest keine, die sich akustisch auswerten ließe. Ich unterbrach mein Schnarchen, schmatzte ein-, zweimal geräuschvoll mit den Lippen und machte dann weiter, wo ich aufgehört hatte.
»Und ich brauche Sie wohl nicht daran zu erinnern, dass ich das Vorschlagsrecht für meinen Nachfolger innehabe. Solange ich im Amt bin, heißt das.«
Pause, um das Gesagte einwirken zu lassen. Noch immer kein Ton der Entgegnung. Weder im einen noch im anderen Sinne.
»Hier ist der Deal.« Der Bariton wurde in konspirative Flüstertöne abgesenkt. »Sie erscheinen vor dem Untersuchungsausschuss mit Ihrer ärztlich beglaubigten Amnesie, erklären klipp und klar, an bestimmte Vorgänge keine Erinnerung mehr zu haben, und ich schlage Sie ein, zwei Jahre später als meinen Nachfolger im Amt vor. Und auch Oberbürgermeister Theissen hat uns für diesen Schritt seine volle Unterstützung zugesagt. Na, was sagen Sie?«
In der erwartungsvollen Stille, die folgte, erkannte ich das sachte einsetzende und dann gleichmäßig, wenn auch leise fortgeführte Schnarchen meines Zimmernachbarn.
Wuchtige Schläge interpunktierten die morgendliche Stille. Bro Ho klopfte mithilfe seines Revolverknaufs Kaffeebohnen zu Pulver, doch obwohl er sich dafür einen flachen Stein als Unterlage gewählt hatte, kam es Pancho vor, als hämmerte er ihm direkt auf dem Schädeldach herum.
Die allerersten Strahlen der Morgensonne suchten sich verschlafen einen Weg durch die vielen finsteren Silhouetten des Canyons.
Ein Großteil von Panchos Erinnerung an den vergangenen Abend schien sich, zusammen mit dem Berg von Feuerholz, in Rauch aufgelöst zu haben, mit einem Häufchen glimmender Asche als einziger Hinterlassenschaft.
Shits war damit beschäftigt, in die glimmende Asche zu pusten, um das Feuer wieder anzufachen. Doc Tatters kramte unter sachtem Stöhnen und erheblichem Zucken in seinem Koffer herum. Ansonsten waren sie allein. Pancho versuchte, sich mit aller Behutsamkeit daran zu erinnern, wer fehlte, wer abwesend war. Irgendwo in der Asche seines Gedächtnisses glimmte etwas, an das er lieber nicht rühren wollte .
»Wo sind denn unsere Pferde?«, fragte er nach einigen Minuten behutsamer Versuche.
»Der Fremde und Toller Hund haben sie mitgenommen. Sie wollen sie irgendwo tränken und auch alle Wasserflaschen voll machen.«
Aha. Der Fremde, und, richtig, Toller Hund war ja auch noch aufgetaucht, gestern Abend. Schön. Etwas an Erinnerung kam zurück und bis hierhin war alles terra firma, wie man so sagt. Vielleicht besser, sich nicht weiter zurückzuwagen, sondern es bei diesem Stand der Dinge zu belassen.
»Alle?«, fragte Pancho, bevor ihm klar wurde, dass er sich damit auf ein Thema vorwagte, das er lieber noch ein Weilchen unbetreten gelassen hätte. »Wofür brauchen wir so viel Wasser?«, fragte Pancho, obwohl er doch eigentlich gerade erst beschlossen hatte, es nicht zu tun.
Niemand schien in der Stimmung,
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