War against people
ein Refrain. Dementsprechend wird diese Politik, mit einigen taktischen Abwandlungen,
auch nach dem Kalten Krieg fortgesetzt. 1991 machten sich die Vereinigten Staaten
unverzüglich daran, Haitis hoffnungsvolles Experiment mit der Demokratie ins Gegenteil zu
verkehren, unterminierten dann das von der OAS beschlossene Embargo, während die
Militärjunta folterte und mordete, und brachten schließlich den gewählten Präsidenten unter
der Bedingung ins Amt zurück, daß er die Politik seines von Washington favorisierten
Vorgängers übernähme, der in den Wahlen von 1990 nur 14 Prozent der Stimmen erhalten
hatte. Die danach geführten Debatten kreisten um die Frage, ob diese »humanitäre Interven-
tion« zur Verteidigung der Demokratie politisch klug gewesen sei 21.
In Relation zu wirklich groß angelegten Aggressions- und Terrorunternehmungen geraten
derlei Aktionen, die, von anderen Staaten durchgeführt, als schwere Verbrechen verurteilt
würden, zu bloßen Fußnoten. So wurden zum Beispiel bei dem schlimmsten Terrorakt von
1985, auf dem Höhepunkt der Kampagne gegen den »internationalen Terrorismus«, bei einem
von der CIA eingefädelten Bombenattentat auf einen Muslim-Führer 80 Libanesen getötet.
1998 wurde in einem armen afrikanischen Land, dem Sudan, die Hälfte der pharmazeutischen
Vorräte vernichtet. Wie viele Tote diese Aktion gekostet hat, bleibt unbekannt, weil Wash-
ington eine UN-Untersuchung blockierte. Die Herausgeber der New York Times hielten das
Vorgehen für legitim, weil die USA »das Recht haben, mit militärischer Gewalt gegen Fabriken
und Ausbildungslager vorzugehen, in denen terroristische Angriffe gegen amerikanische Ziele
vorbereitet werden« (oder auch nicht). 22 Die Reaktion wäre vermutlich eine andere, wenn islamische Terroristen die Hälfte der pharmazeutischen Vorräte in den USA, Israel oder
einem anderen bevorzugten Staat zerstören würden.
Diese und andere Beispiele von terroristischen Vergeltungsschlägen fallen unter die Kategore
der »kreativen Abschreckung«.
Was solche Methoden an Menschenleben fordern, läßt sich überhaupt nicht berechnen,
aber für wirklich mächtige Schurkenstaaten spielen Verbrechen keine Rolle. Sie werden
aus der Geschichte gestrichen oder in gute Absichten verkehrt und verklärt, die leider
schiefgegangen sind. Für die öffentlich gerade noch zulässige Kritik begann der Krieg gegen
Südvietnam, später gegen ganz Indochina, mit »fehlerhaften Versuchen, Gutes zu tun«, obwohl
»schon 1969« deutlich wurde, daß »die Intervention ein katastrophaler Fehler gewesen war«,
weil die USA »eine Lösung nur zu einem Preis hätten durchsetzen können, der für sie zu
hoch ausgefallen wäre«. Robert McNamaras Entschuldigung für den Krieg richtete sich an
die Amerikaner und wurde von den Falken als Verrat verurteilt, von den Tauben dagegen als
höchst verdienstvoll und mutig gefeiert: Wenn Millionen von Leichen die Überreste der
von unseren Angriffen zerstörten Länder bedecken, während immer noch weitere Menschen
durch Spätzünder von Landminen und Bomben und an den Folgen chemischer Kriegführung
sterben, geht uns das nichts an und verlangt keine Entschuldigung, geschweige denn
Reparationszahlungen oder Kriegsverbrechertribunale. 23
Ganz im Gegenteil. Die USA werden als Anführer der »aufgeklärten Staaten« gerühmt, die
Gewalt anwenden dürfen, wann immer sie es für richtig halten. In den Jahren der Clinton-
Regierung ist die US-Außenpolitik in eine »noble Phase« eingetreten und trägt der New York
Times zufolge so etwas wie einen »Heiligenschein«. Amerika ist »auf der Höhe seines Ruhms«
angelangt, unbefleckt von internationalen Verbrechen, von denen nur einige wenige erwähnt
wurden. 24
Schurkenstaaten mit innenpolitischer Freiheit und hier befinden sich die USA an der
äußeren Grenze müssen sich auf die Bereitwilligkeit der gebildeten Schichten verlassen,
Loblieder zu singen und schreckliche Verbrechen zu leugnen oder zu tolerieren. Auch darüber
gibt es Dokumente in großer Anzahl, die an anderer Stelle ausführlich gewürdigt wurden. Sie
dürften nicht allzu viel Stolz hervorrufen.
Anmerkungen
1 American Society of International Law (ASIL) Newsletter (März/April 1999); Detlev
Vagts, »Taking Treaties Less Seriously«, »Editorial Comments«, American Journal
ofInternational Law 92:458 (1998).
2 Proceedings of the American Society of International Law 13,14 (1963), zit.
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