War da noch was - Roman
Geräusche, mit denen sich peinliches Schweigen überdecken ließ — wobei es das ohnehin nicht gab. Es kam mir fast so vor, als würde man nach langer Zeit wieder in einen altvertrauten Mantel schlüpfen.
Er lächelte Biba zu, die sein Glas nachschenkte. Daisy, Seffy und sie gingen mit den Weinflaschen herum, doch ich bemerkte, wie Daisy dabei Luca ignorierte, der ihr sein Glas hingehalten hatte, als sie in seine Nähe kam. Er errötete, als sie mit hoch erhobenem Kopf an ihm vorüberging. Biba bemerkte es und eilte rasch herbei, um es zu füllen. Luca war alt genug, um mit uns zu essen und nicht mehr beim Bedienen helfen zu müssen. Er saß am Kopfende, wie ich bemerkte, gegenüber von Hugh, wenn auch fünf Meter entfernt.
»Danke nein, Seffy, Biba war gerade schon da.« Das kam von Hal, der lächelnd und über die Schulter mit meinem Sohn sprach. Dann folgte ein kleiner Schlagabtausch darüber, dass Seffy schließlich wusste, wie trinkfest so alte Knacker wie wir waren und ob er nicht sicherheitshalber mit der Flasche in der Nähe bleiben sollte.
»Du hast Seffy schon kennengelernt?«, fragte ich überrascht, nachdem mein Sohn weitergegangen war.
»Ach so. Ja.« Hal sah fast ein wenig verlegen aus. So als hätte ich ihn ertappt. »Wir … wir haben uns mal gesehen, als ich kurz hier war, um Hugh zu treffen. Da haben wir uns ein bisschen unterhalten.«
»Seffy und du?«
»Ja.«
»Ach, wirklich. Worüber denn?«
Er schwieg. Die erste peinliche Stille an diesem Abend.
»Ach, du weißt schon … dies und das und das Leben im Allgemeinen.« Er räusperte sich und lenkte ab, indem er seine Nachbarin bat, die Sahne herüberzureichen. Ich überlegte, ob es ihm wohl peinlich war, dass er versucht hatte, mit Seffy Kontakt aufzunehmen. Dass er ihn hatte kennenlernen wollen, weil er mein Sohn war. Vielleicht. Ich fühlte mich geschmeichelt.
»Er ist ein toller Junge. Du kannst stolz auf ihn sein.«
Ich blickte ihm in die Augen. Lächelte. »Danke.«
»Das hast du sehr gut gemacht, Hattie.«
Bei diesen Worten begann mein Herz zu klopfen. Was meinte er damit?
»Danke«, sagte ich noch einmal mechanisch, aber sein Blick ließ mich nicht los, und plötzlich wollte ich nicht mehr über mich und Seffy reden und wie gut ich es gemacht hatte.
»Du hast noch gar nicht von Céline erzählt«, platzte ich heraus, und sofort blickte er zur Seite. Ein billiger Trick, aber er funktionierte.
»Céline und ich …« Er schluckte. Sah auf seinen Teller.
Ich legte ihm eine Hand auf den Arm. »Tut mir leid. Das war unfair von mir. Ich weiß es schon. Ihr habt euch getrennt.«
»Du weißt es?« Rasch sah er mich an.
»Biba hat gesagt, Letty hätte es ihr erzählt.«
Wir schauten den Tisch entlang. Letty saß vornübergebeugt da und versuchte mit gerunzelter Stirn, zusammengekniffenen
Augen und der versunkenen Konzentration einer Betrunkenen, eine Profiterole aufzuspießen.
»Neuigkeiten machen hier schnell die Runde«, bemerkte er. »Es ist erst ein paar Tage her.«
»Aber es ist tatsächlich vorbei?«
»Ja. Diesmal endgültig. Ich kann mir nicht länger etwas vormachen, Hattie. Natürlich sollte ich sie heiraten. Bei ihr stimmt alles. Das war schon immer so. Sie ist schön, elegant, klug, lieb … aber es gibt da ein Problem.«
»Ach?« Ich wusste, was es war.
Er schaute mich an. »Ich liebe sie nicht.«
Ich hielt den Atem an. In seinen Augen lag eine unverhohlene Sanftheit, ja geradezu Verletzlichkeit. Jedoch trotz ihrer Offenheit, trotz der Tatsache, dass er es war, der sich hier in die Karten schauen ließ, kam es mir vor, als würde auch ich meine Geheimnisse preisgeben.
»Okay«, sagte ich schließlich. »Keine leichte Sache also.« Ich spielte mit dem Stiel meines Glases herum.
»Eigentlich doch. Es war nur fair, das Richtige zu tun. Ich konnte ihr doch keine Ehe zumuten auf der Basis von ›Ich habe sie sehr gern‹, oder?«
»Vermutlich … nicht.«
Von irgendwoher tauchte der Schnappschuss aus dem Leben auf, das ich mir für Céline vorgestellt hatte. Der, in dem sie unten am Fluss spazieren ging in diesem idyllischen Garten in Frankreich, ein Kleinkind an der einen Hand, die andere auf ihren runden Bauch gelegt. Aber es war ja gar nicht Céline in dem Cath-Kidston-Umstandskleid. Das war ich. Hatte Biba nicht gesagt, er hätte schon immer eine andere geliebt? Und wie viele ernsthafte Beziehungen hatte er wohl gehabt, wenn er mit Céline schon so viele Jahre zusammen war?
»Hör zu, Hattie …«, sagte
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