Warcraft - 2
schroffen Halbkreis des Eingangs zu Durotans Höhle umrahmt wurde.
Einst hatte Durotan, der Führer des Eiswolf-Clans in einem ange-nehmeren Klima gelebt. Er hatte seine Axt im Sonnenlicht ge-schwungen und die Augen zusammenkneifen müssen, wenn das Licht sich im Metall brach und ihm rotes Menschenblut entgegen-spritzte. Einst hatte er sich mit seinem gesamten Volk verbunden ge-fühlt, nicht nur mit seinem Clan. Seite an Seite hatten sie gestanden, eine grüne Welle des Todes, die über die Hügel hinwegschwappte und die Menschen verschlang. Sie hatten gemeinsam an den Feuern gegessen, dunkel und schallend gelacht und sich Geschichten über blutige Eroberungen erzählt, während ihre Kinder neben der erster-benden Glut dösten und von den Massakern träumten.
Aber nun fror die Handvoll Orks, aus denen der Eiswolf-Clan noch bestand, allein in ihrem Exil in den Alterac-Bergen dieser fremden Welt. Ihre einzigen Freunde waren die großen weißen Wölfe.
Sie unterschieden sich stark von den riesigen schwarzen Wölfen, die Durotans Volk einst geritten hatte, aber ein Wolf war ein Wolf, unabhängig von der Farbe seines Fells. Mit entschlossener Geduld und Drek'Thars Kräften hatten sie die Tiere auf ihre Seite gebracht. Jetzt jagten Ork und Wolf gemeinsam und hielten sich in den langen schneereichen Nächten gegenseitig warm.
Durotan drehte sich um, als ein leiser schluchzender Laut aus dem Inneren der Höhle ertönte. Sein hartes, ausgezehrtes Gesicht, in das die Jahre der Sorge und des Zorns tiefe Linien gegraben hatten, wurde beim Klang dieses Geräusches weicher. Sein kleiner Sohn, der noch bis zum erklärten Namenstag dieses Zyklus ohne Namen war, hatte geweint, während er gefüttert wurde.
Durotan überließ Sharptooth der Betrachtung des Schnees, stand auf und ging zurück in die innere Kammer. Draka hatte eine Brust entblößt, damit das Kind daran saugen konnte, und den Säugling gerade davon entfernt. Deshalb hatte er wohl auch angefangen zu weinen. Während Durotan zusah, streckte Draka ihren Zeigefinger aus. Einen schwarzen Nagel, den sie so scharf wie eine Rasierklinge gefeilt hatte, stieß sie tief in den Nippel, bevor sie den kleinen Kopf des Säuglings wieder an ihre Brust ließ. Auf ihrem schönen Gesicht mit dem starken Kinn gab es kein Anzeichen von Schmerz. Nun nahm das Kind nicht nur die nahrhafte Muttermilch beim Saugen auf, sondern auch das Blut seiner Mutter. Dies war die rechte Nahrung für einen aufstrebenden jungen Krieger, für den Sohn von Durotan und den nächsten Häuptling des Eiswolf-Clans.
Sein Herz war erfüllt mit Liebe für seine Gefährtin – eine Kriege-rin, die ihm an Mut und List in nichts nachstand – und für den wun-dervollen, perfekten Sohn, den sie ihm geboren hatte.
Erst dann breitete sich das Wissen, was er zu tun hatte, wie eine Decke über seine Schultern. Er setzte sich und seufzte schwer.
Draka sah zu ihm auf, und ihre braunen Augen verengten sich. Sie kannte ihn nur zu gut. Er wollte ihr nichts von seiner plötzlichen Entscheidung erzählen, auch wenn er in seinem Herzen wusste, dass sie richtig war. Und doch musste er es tun.
»Wir haben jetzt ein Kind«, sagte Durotan. Seine Stimme drang dunkel aus der breiten Brust.
»Ja«, antwortete Draka voller Stolz. »Ein guter, starker Sohn, der den Eiswolf-Clan führen wird, wenn sein Vater glorreich in der Schlacht gefallen ist. Dereinst, in vielen Jahren«, fügte sie hinzu.
»Ich trage die Verantwortung für seine Zukunft«, fuhr Durotan fort.
Er hatte jetzt Drakas volle Aufmerksamkeit. In diesem Moment wirkte sie außergewöhnlich schön, und er versuchte ihren Anblick in seinen Geist einzubrennen. Der Feuerschein spiegelte sich in ihrer grünen Haut, betonte das Spiel ihrer mächtigen Muskeln und ließ ihre Stoßzähne glänzen. Sie unterbrach ihn nicht, sondern wartete darauf, dass er fortfuhr.
»Hätte ich mich nicht gegen Gul'dan gewandt, würde unser Sohn mit mehr Spielkameraden aufwachsen«, fuhr Durotan fort. »Hätte ich mich nicht gegen Gul'dan gewandt, wären wir auch weiterhin geschätzte Mitglieder der Horde.«
Draka zischte, öffnete ihre kräftigen Kiefer und zeigte ihrem Ge-fährten die Zähne, um ihr Missfallen auszudrücken. »Dann wärest du nicht der Gefährte, mit dem ich mich verbunden habe«, sagte sie.
Der Säugling löste sich erschrocken von der nährenden Brust, hob den Kopf und blickte in das Gesicht seiner Mutter. Weiße Milch und rotes Blut tropften über sein bereits
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