Warnschuss: Thriller (German Edition)
er die Hände auf die Wunde gepresst hatte, wie es die Schmierspuren auf seinen Fingern und seinem Hemd vermuten lassen.«
»Aber er könnte auch hinter dem Lenkrad von Mrs Lairds Wagen erschossen worden sein, wo wir ihn gefunden haben.«
»Verdammt!« Duncan musste zugeben, dass Worley recht hatte. »Was hat eine Ratte wie Meyer Napoli hinter dem Lenkrad von Mrs Lairds Wagen zu suchen?«
»Keine Ahnung«, gab Worley zu.
Der Krankenwagen war inzwischen nach vorn gelotst worden. Der Fahrer schlängelte den Wagen zwischen den Streifenwagen durch, die den zu dieser frühen Stunde noch
dünnen Verkehr in Richtung Stadt blockiert hatten. Worley kehrte zu DeeDee zurück, die immer noch mit Dothan Brooks redete.
Duncan blieb allein zurück und ging noch einmal zu dem abgesperrten Fleck zwischen den Markierungskegeln zurück, wo er einen vorsichtigen Blick über die Brüstung der Brücke wagte. Diesmal interessierte er sich nicht für den darunter strömenden Fluss, sondern für die Brücke selbst. Sie hatte eine Spannweite von knapp siebenhundert Metern und war erbaut worden, um eine Zugbrücke zu ersetzen, die dem Verkehr auf dem Fluss nicht mehr gerecht geworden war, nachdem Savannahs Bedeutung als Seehafen ständig zugenommen hatte.
Duncan war schon tausend Mal über diese Brücke gefahren, aber weil er es hasste, keinen festen Boden unter den Füßen zu haben, hatte er dabei immer nur auf die Straße gesehen. Er hatte sich nie für den Aufbau der Brücke interessiert. Ganz bestimmt hatte er ihre Ehrfurcht gebietende Konstruktion und ihre immensen Ausmaße noch nie aus dieser Nähe studiert.
Er beugte sich so weit über die Brüstung, wie es seine Furcht zuließ, und studierte den Aufbau der Brücke. Während er im Geist die Höhe des nächsten Pfeilers abzuschätzen versuchte, wo die Trossen angebracht waren, fiel ihm eine Metallleiter auf, die zu einer Apparatur – er wusste nicht einmal, wie das Ding hieß – auf der Unterseite der Brücke hinabführte. Auf dem Boden dieses Metallgestells sah er etwas flattern, etwas, das dort bestimmt nicht hingehörte.
Den Blick fest auf diesen Fleck gerichtet, lief er auf den Pfeiler zu und hoffte dabei, dass das, was seine Aufmerksamkeit erregt hatte, nicht weggeweht wurde, bevor er es erkannt hatte. Als er direkt darüber war, beugte er sich wieder über die Brüstung und betrachtete den Mechanismus darunter.
Was er gesehen hatte, war ein Stück Stoff. Bunt, weich und absolut fehl am Platz auf dieser so durch und durch maskulinen Konstruktion aus Eisen, Stahl und Beton.
Napolis Leichnam wurde eben aus dem Auto auf eine Bahre gehievt. Worley und DeeDee hatten von der Spurensicherung das Okay bekommen, den Wagen zu durchsuchen. Damit waren sie vorerst beschäftigt. Gerard ließ währenddessen eine Standpauke von Richter Laird über sich ergehen, der seine Tirade mit einem rhythmisch piekenden Zeigefinger akzentuierte.
»Warum konzentrieren sich Ihre Leute ausschließlich darauf, was Napoli widerfahren ist?«, hörte Duncan ihn wettern. »Sie sollten lieber meine Frau suchen.«
Duncan konzentrierte sich wieder auf das Gestell, das unter der Brücke angebracht war, und auf die Leiter, über die es von der Fahrbahn aus erreichbar war. Er versuchte, das Schwindelgefühl zu unterdrücken, indem er seinen Blick auf den Tanker richtete, der unter der Brücke hindurch in Richtung Meer glitt. Dummerweise wurde ihm vom Anblick des fahrenden Schiffes noch schwindliger.
Trotzdem schwang er ein Bein über die Brüstung, trat auf die winzige Plattform oben an der Leiter und kletterte hinunter. Die Metallsprossen waren von Eisenstreben umgeben, die einen kleinen, runden Käfig bildeten, aber zwischen den Streben war reichlich Platz, sodass er nicht sicher war, ob sie ihn halten würden, falls er den Halt verlor und rückwärts dagegenprallte.
Er war etwa auf halbem Weg nach unten, als er Gerard rufen hörte: »Dunk! Was machen Sie da, verflucht noch mal?«
Er sah nach oben. Ein Fehler. Die Lichter, die von der Spitze des Pfeilers aus die Brücke beleuchteten, strahlten ihm genau ins Gesicht. Also rief er in die Richtung von Gerards Stimme: »Da unten liegt etwas.«
»Bist du verrückt?«
Das kam von DeeDee, die fast panisch kreischte.
»Wahrscheinlich«, sagte er zu sich.
»Komm sofort wieder rauf!«
Stattdessen kletterte er weiter abwärts. Gott sei Dank war er in seine Turnschuhe gestiegen, als er sich vorhin in aller Eile angezogen hatte. Die Gummisohlen gaben besseren
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