Warnschuss: Thriller (German Edition)
wollte Gerard wissen.
Der Gerichtsmediziner fasste seine Befunde zusammen. »Ich gehe davon aus, dass er schnell starb.«
»Es interessiert mich einen feuchten Dreck, wie schnell
er gestorben ist.« Laird stieß Gerard mit dem Ellbogen beiseite und baute sich vor Dothan Brooks auf. »Was ist mit meiner Frau?«
»Über Ihre Frau weiß ich nichts.« Der Gerichtsmediziner zog ein tischtuchgroßes Taschentuch aus der Gesäßtasche und wischte damit sein verschwitztes Gesicht ab.
Gerard wandte sich an die Detectives. »Was können Sie uns dazu sagen?«
Er war uncharakteristisch kurz angebunden, wahrscheinlich weil er im Dezernat mittlerweile hauptsächlich Verwaltungsaufgaben ausübte. Es war lange her, dass er zum letzten Mal einen Tatort aufgesucht hatte, und das war nie eine angenehme Erfahrung, ganz gleich, wen es getroffen hatte, selbst wenn es sich um einen widerwärtigen Charakter wie Napoli handelte.
Aber hauptsächlich, vermutete Duncan, stand sein Chef unter Druck, dem Richter so schnell wie möglich Antworten zu liefern.
Worley nahm den Zahnstocher aus dem Mund und fasste die Fakten knapp und präzise zusammen. »Gerade eben haben wir einen Schuh gefunden, eine mit türkisen Steinen besetzte Sandale. Gleich dort drüben.« Er deutete auf den Fotografen, der immer noch Aufnahmen machte.
»O Jesus.« Laird fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. »Elise hat solche Sandalen. Ich will sie sehen.« Er marschierte auf den Fotografen zu.
»Sie könnten versucht sein, sie aufzuheben, Richter. Bitte fassen Sie die Sandale nicht an.«
Er schoss einen wütenden Blick auf Worley ab. »Ich bin kein Idiot.«
Duncan sah ihm nach und konnte sich, obwohl er den Mann nicht ausstehen konnte, in seine Lage versetzen. Unter anderen, ganz anderen Umständen hätte er sich genau wie der Richter verhalten. Er wäre krank vor Sorge, würde
ängstlich alle Möglichkeiten durchspielen, verzweifelt auf Antworten hoffen.
Aber er war nicht Elises Ehemann. Er war nicht einmal ihr Freund. Er war nichts als der Detective, der sie wahrscheinlich dem Staatsanwalt übergeben würde, damit Anklage erhoben werden konnte. Er konnte der Unsicherheit und Angst, die in ihm tobten, nicht Luft machen. Er musste seinen Job erledigen.
»Chief Taylor hat mich angerufen«, teilte Gerard seinen Untergebenen soeben halblaut mit. »Er hat angeordnet, dass ich diesen Fall persönlich beaufsichtige und dass er Vorrang vor allem anderen hat, woran wir im Moment arbeiten. Wir sollen dem Richter alles geben, was er verlangt, hat er gesagt. Taylor will, dass jeder hier unter Hochdruck arbeitet. Kapiert?«
»Verzeihung«, fragte DeeDee. »Betrachten wir Mrs Laird etwa als Opfer?«
»Bis sich etwas anderes ergibt.« Gerard ließ sie stehen und ging wieder zum Richter.
»Unser Fall wurde eben zum Politikum«, brummelte Worley. »Super.«
Dothan Brooks kam keuchend angewackelt. »Kann ich ihn jetzt haben?«
Duncan überließ es Worley und DeeDee, mit dem Gerichtsmediziner den Transport von Napolis Leichnam zur Pathologie zu regeln. Er schlenderte zu den Kegeln zurück, mit denen die Absatzspuren auf dem Asphalt abgegrenzt waren, und ging in die Hocke, um sie genauer zu studieren. Vielleicht stellte sich heraus, dass es sich gar nicht um Spuren von Elises Absätzen handelte, sondern um kurze Bremsspuren oder um die Absatzspuren eines anderen Fußgängers. Wer konnte schon sagen, was diesen schwarzen Abrieb auf dem Asphalt einer viel befahrenen Brücke hinterlassen hatte, die am einen Ende in mehrere große Innenstadtstraßen
Savannahs mündete und am anderen in den South Carolina State Highway 17.
Er sah zum Wagen; von dort waren es schätzungsweise fünf Meter. Die Sandale war noch weiter davon entfernt an der Brüstung gefunden worden. Alles hatte sich auf dem schmalen Seitenstreifen der Straße abgespielt. Duncan stand auf und kehrte, mit Blicken den Asphalt absuchend, zum Auto zurück.
»Wonach suchst du?« Worley hatte sich zu ihm umgedreht.
»Nach Blut.«
»Er wurde im Wagen erschossen.«
»Vielleicht. Oder aber während eines Kampfes da drüben, wo wir die Spuren gefunden haben. Vielleicht hat er sich hierhergeschleppt, auf den Fahrersitz fallen lassen und die Tür zugezogen.«
»Weil er glaubte, dass er vielleicht noch wegfahren könnte.«
»Selbst wenn in seinem Bauch das Blut in Strömen gesprudelt ist, war außen nur ein dünnes Rinnsal zu sehen«, meinte Duncan. »Es müsste nicht unbedingt auf den Boden getropft sein, vor allem, wenn
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