Warnschuss: Thriller (German Edition)
anmaßende Art des Richters kratzte an seinen Nerven. »Ich erzähle das nur, weil die Medien garantiert genauso neugierig sein werden wie unsere Bürger. Früher oder später müssen Sie sich den Reportern stellen, die unten auf Sie warten.«
»Wir mussten uns schon durchkämpfen, als wir hergekommen sind«, bestätigte Worley. »Natürlich haben wir ihnen nichts erzählt.«
»Selbst ich habe ein halbes Dutzend Anrufe abgewehrt, die ins Dezernat durchgestellt wurden, weil die Anrufer behaupteten, etwas über Mrs Laird zu wissen«, fuhr Gerard fort. »Die Presse weiß bereits, dass es sich bei dem Toten auf der Brücke um Meyer Napoli handelt. Die Reporter wissen auch, dass Mrs Laird irgendwie in die Sache verwickelt ist, aber sie wissen nicht, inwiefern oder wie tief. Sie sollten sich überlegen, wie Sie damit umgehen wollen, Richter.«
Laird sank in sich zusammen und sackte auf den nächsten freien Stuhl. Innerhalb weniger Sekunden verpuffte seine Streitlust, und er verwandelte sich in ein verlorenes, verletzliches und vom Leben geschlagenes Opferlamm. Er ließ den Kopf hängen und starrte auf den Boden.
Sie gaben ihm Zeit. Niemand sagte ein Wort. Ausnahmsweise war sogar Worley empfindsam genug, seine unflätige Klappe zu halten.
Schließlich hob Richter Laird den Kopf und sah Duncan an. »Haben Sie überhaupt etwas gefunden? Irgendeinen Hinweis auf ihren Verbleib?«
»Nur den Stofffetzen.« Duncan räusperte sich und fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. So wie es aussah, hatte er es nicht zum ersten Mal so gedankenverloren zerwühlt. »Sie, äh, haben gesagt, dass Sie glauben, es käme von einem Rock, der Mrs Laird gehört.«
»Ich glaube das nicht, ich weiß es.«
DeeDee sagte: »Wir haben das überprüft. Der Rock wurde erst heute gekauft. Ein Geschenk von ihm.«
DeeDee wusste beim besten Willen nicht, warum das Duncan so quälte, aber das tat es. Er verzog tatsächlich das Gesicht. »Wir wissen nicht, wie es auf den Wartungsschlitten kam«, sagte er. »Die Spurensicherung hat alle Sprossen der Leiter abgesucht, aber dort klettern viele Arbeiter hinauf und hinunter …« Er ließ den Satz versickern, als hätte ihn erneut die Kraft verlassen.
»Irgendeine Spur von der anderen Sandale?«
Duncan schüttelte den Kopf. »Wir haben nichts gefunden, was ihr gehören könnte. Sobald es hell wird, beginnen die Polizeitaucher mit… mit ihrer Suche.«
Das Geräusch, das der Richter von sich gab, klang verdächtig nach einem trockenen Schluchzen.
DeeDee bemerkte, wie Duncan Worley ansah, doch der war vollauf damit beschäftigt, mit dem Fingernagel ein Muster in seinen Styroporbecher zu kratzen, seine Art, Duncan diese unangenehme Aufgabe zuzuschieben.
»Uns ist etwas aufgefallen, was wir anfangs übersehen hatten«, fuhr Duncan fort. »Und zwar, dass sie die Sandale wahrscheinlich nicht freiwillig ausgezogen hat. Die Schnalle war noch geschlossen.«
DeeDee sagte: »Diese Sandale ließ sich auch mit geschlossener Schnalle an- und ausziehen. Da bin ich fast sicher.«
Er nickte. »Aber der hintere Riemen ist aus der Sohle gerissen.«
Gerard fragte: »Wie könnte so was passieren, Dunk?«
Er ließ seine Schultern kreisen, als würden sie schmerzen. »Dazu braucht es ziemlich viel Kraft, würde ich meinen.« Es war keine besonders ausführliche Antwort, aber sie sagte genug, mehr sogar als irgendeiner von ihnen wissen wollte.
Duncan hatte offensichtlich Schwierigkeiten, die richtigen
Worte zu finden. DeeDee konnte sich nicht erinnern, das je erlebt zu haben, nicht einmal, wenn er den Verwandten eines Verbrechensopfers mitteilen musste, dass einem geliebten Menschen das Schlimmste zugestoßen war, was sich nur denken ließ.
»Wir gleichen die Spuren auf der Straße mit den Absätzen von Napolis Schuhen ab«, sagte er. »Es sieht so aus, als hätten er und Mrs Laird in der Nähe der Brüstung gekämpft.« Er sprach den Richter direkt an. »Vielleicht ist der Riemen abgerissen, weil er hinten auf ihre Sandale getreten ist. Dass ich den Stofffetzen auf dem Wartungsschlitten gefunden habe, muss nicht heißen, dass er dort von ihrem Rock gerissen wurde. Er könnte auch dort hingeweht worden sein, nachdem er bei dem Kampf auf der Brücke abgerissen wurde.«
»Vielleicht haben sie um die Waffe gerauft«, meldete sich Worley endlich zu Wort. Alle Augen richteten sich auf ihn. »Wir konnten Napolis Pistole nicht finden, aber wir gehen vorerst davon aus, dass er damit erschossen wurde. Trotzdem wäre es uns eine
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