Warnschuss: Thriller (German Edition)
zu bestellen, doch dann entschied sie sich dagegen, weil sie Duncan keinesfalls
ablenken wollte. »Du hast gesagt, sie hätte dich zweimal um Hilfe angebettelt.«
»Beim zweiten Mal rief sie auf meinem Handy an und sprach eine Uhrzeit und einen Treffpunkt auf meine Mailbox.«
»In der festen Annahme, dass du hinkommen würdest.«
»Sie brauchte überhaupt nichts anzunehmen. Ich wusste, dass es ein Fehler war, dir nichts zu erzählen. Ich wusste, dass es ein Fehler war, allein zu diesem Treffen zu gehen. Aber ich ging trotzdem hin. Oh, natürlich hatte ich gute Gründe. Ich redete mir ein, ich würde glauben, dass der Anruf von Savich kam und er mich provozieren wollte. Aber ich glaube, tief im Herzen wusste ich genau, dass Elise dort auf mich wartete.«
»Wo habt ihr euch getroffen?«
Er schnaubte ein verbittertes Lachen. »Das tut doch nichts zur Sache, DeeDee. Es hätte überall sein können, ich wäre hingefahren. Nichts hätte mich davon abhalten können, sie zu treffen. Verstehst du, ich wusste genau, dass sie versuchen würde, mich zu kompromittieren. Ich hoffte sogar, dass sie es versuchen würde.«
»Warum?«
»Weil mir klar war, was sie einsetzen würde, um ihr Ziel zu erreichen.« Er hob den Kopf und sah sie so eindringlich an, dass sie ihn unmöglich missverstehen konnte.
Sie schluckte schwer. »Ich verstehe.«
»Sie wusste, was ich von ihr haben wollte, und genau das hat sie mir angeboten.«
»Und du hast angenommen?«
»Ja.« Er schloss die Augen und wiederholte rau: »Ja.«
Im Hinterkopf fragte sich DeeDee, was für ein Gefühl es wohl war, diese Gewalt über einen anderen Menschen auszuüben, wie berauschend es sein musste, jemanden so in der Hand zu haben, dass er für ein paar Minuten sexueller
Erfüllung seine Integrität, sein Lebenswerk aufs Spiel setzte.
Er leerte sein Glas. »Danach… Geschenkt. Ich brach mein Wort. Ließ sie mit tränenüberströmtem Gesicht zurück, obwohl sie mich um Hilfe anflehte.«
»Wobei solltest du ihr helfen?«
»Aus ihrer Notlage heraus. Die Einzelheiten tun nichts mehr zur Sache. Nur Stunden, nachdem ich sie verlassen hatte, musste Napoli sterben, seither suchen wir nach ihrer Leiche.« Er pflügte mit den Fingern durch seine Haare und ließ den Kopf in beide Hände sinken. »Herr, steh mir bei.«
Das erklärte seine Verzweiflung. Er hatte ihre Ermittlungen beeinträchtigt und gegen seinen Moral- und Berufskodex verstoßen, diese Überschreitungen würde er sich nie verzeihen.
Vor Jahren, als sie noch Streife gefahren war, waren zwei Kollegen aus dem SPD angeklagt worden, weil sie sich sexuell mit einer Verdächtigen eingelassen hatten. Sie hatten behauptet, die Frau habe die Kontakte angebahnt und bereitwillig mitgemacht – was sich als wahr herausstellte. Trotzdem stand DeeDee noch vor Augen, wie wütend Duncan gewesen war, als sich die Polizisten weigerten, ihr Fehlverhalten anzuerkennen und dafür einzustehen. So wie er es sah, hatten sie die Möglichkeit und die moralische Pflicht gehabt, der Versuchung zu widerstehen, so stark der erotische Anreiz auch gewesen sein mochte. Jetzt hatte er einen vergleichbaren Fehltritt begangen, und für ihn war das unentschuldbar.
Aber allen Fehlern und Makeln zum Trotz war Duncan Hatcher DeeDees Held. Ihn so unter der Last seiner Schuld erdrückt zu sehen erfüllte sie mit Mitleid, nicht mit Geringschätzung. Die behielt sie sich für Elise Laird vor, für die sie nichts als Verachtung übrig hatte. Sie wollte verflucht
sein, wenn sie zuließ, dass der Geist dieser verlogenen Hexe ihren Partner vernichtete.
»Du hast einen Fehler gemacht«, tröstete sie ihn sanft. »Aber du hast ihn eingesehen. Du musst drüber wegkommen. Es ist vorbei.«
»Für mich nicht, nein. Ich werde nie vergessen, wie sie mich angesehen hat, als …«
»Duncan, sie hat mit dir gespielt!«, rief sie so laut, dass der Barkeeper zu ihnen hersah. »Sie wusste, dass du sie heiß gefunden hast, und das hat sie ausgenutzt. Gibt es eine bessere Methode, der Verhaftung zu entgehen, als den Bullen zu vögeln, der dich überführen soll?«
»Das weiß ich, DeeDee. Verdammt noch mal, glaubst du, das wüsste ich nicht? Aber deshalb bin ich genauso schuldig. Drei Menschen sind gestorben, den armen Trotter nicht mitgezählt, mit dem all das angefangen hat. Napoli, Gordie Ballew und jetzt Elise. Wenn ich richtig gehandelt hätte, hätten sie nicht sterben müssen.«
»Das weißt du nicht. Niemand kann das wissen. Die Sache musste so oder so
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