Warnschuss: Thriller (German Edition)
schleppte sich dahin. In den Worten des Barkeepers war die Leiche längst Fischfutter. Warum beließen sie es nicht dabei? Warum beendeten sie die Übertragung nicht endlich und kehrten zu Seinfeld zurück?
Die Entdeckung von Elises fehlender Sandale hatte alle Hoffnungen zerstört, sie könne ihren freiwilligen oder unfreiwilligen Sturz von der Brücke überlebt haben. Jetzt war sogar die Suche nach dem Leichnam eingestellt worden. Morgen würden alle die Arbeit wieder aufnehmen, die sie zehn Tage lang unterbrochen hatten.
Alle außer ihm.
Plötzlich flog die Tür auf, und ein Regenschwall wehte herein, gefolgt von einem weiteren Gast. Sie blieb auf der Schwelle stehen, zog die Tür wieder zu und drehte sich dann um. Duncan griff stöhnend nach seinem Glas.
DeeDee brauchte ein, zwei Sekunden, bis sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, dann sah sie Duncan an der Bar sitzen und ging auf ihn zu. Sie schlüpfte aus ihrem Regenponcho und schüttelte das Wasser ab. Anschließend setzte sie sich auf den Hocker neben seinen und schüttelte so ungestüm den Kopf, dass die Regentropfen aus ihren Haaren und ihm um die Ohren spritzten.
Er verzog das Gesicht und wischte übertrieben angestrengt die Tropfen von seinem Ärmel. »Sie haben da was total Cooles erfunden. Nennt sich Regenschirm.«
»Ich habe meinen heute Morgen in deinem Auto gelassen.«
»Du gehst ein bisschen spazieren? Und bist durstig geworden, als du zufällig hier vorbeigeschlendert bist?«
»Ich habe alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft und vermutet, dass du hier sein könntest.«
»Wie bist du auf die Idee gekommen?«
»Soweit ich weiß, warst du erst einmal hier. Damals, als wir den Mord an einer Mutter und ihrem Baby aufklären mussten, die beide enthauptet worden sind.«
Er prostete ihr mit seinem Glas zu. »Danke, dass du mich daran erinnerst. Genau das Richtige, um mich aufzuheitern.«
»Damals hast du mir erklärt, dass man sich hier gut betrinken kann.« Sie sah sich angeekelt um. »Sieht ganz so aus.« Dann sagte sie zum Barkeeper: »Eine Cola Light.« Als er sie brachte, nickte sie zu Duncans Whiskyglas hin. »Wie viele davon hat er schon gehabt?«
»Sagen wir mal so: Ich bin froh, dass Sie ihn heimfahren können.«
»So viele?«
»Verzieh dich, DeeDee«, grummelte Duncan.
»Hey, ich bin diejenige, die sauer sein sollte, nicht du«, griff sie ihn an. »Du musstest nicht stundenlang durch den
Regen fahren und nach dir suchen. Ich schon. Ich war bei dir zu Hause, in deinem Fitnessstudio, überall.«
»Deine Fürsorge rührt mich.«
»Warum bist du heimlich abgehauen, ohne jemandem zu sagen, wohin du gehst? Warum bist du nicht an dein Handy gegangen?«
»Kleiner Tipp: Ich wollte heute Abend alleine bleiben.«
»Zu blöd. Das hat wohl nicht geklappt.« Sie wickelte einen Strohhalm aus, steckte ihn in die Cola und nahm einen Zug.
»Wenn du hoffst, dass du mich aufbauen und meine Laune bessern kannst, verschwendest du deine Zeit«, sagte er. »Ich fühle mich auf keinen Fall besser.«
»Warum machst du dir dann die Mühe, dich zuzudröhnen?«
»Weil ich will, verfluchte Scheiße«, fuhr er sie an.
DeeDee hielt seinem Blick mehrere Herzschläge lang stand, dann sah sie zu dem Fernseher auf, wo Chief Taylor immer noch lautlos Rede und Antwort stand. Bill Gerard und Cato Laird flankierten ihn auf dem Podium.
»Hast du gehört, dass die Suchaktion offiziell eingestellt wurde?«
Er nickte.
»Das wurde nach einem Gespräch zwischen dem Richter, Gerard und Chief Taylor vereinbart. Die Bilder von Mrs Laird und Savich haben die Situation verkompliziert.« Sie gab Duncan Gelegenheit, das zu kommentieren. Er tat es nicht, sondern starrte weiter düster in sein Whiskyglas. »Der Richter wird heute Abend keine Erklärung abgeben und keine Fragen beantworten, aber als bekannt gegeben wurde, dass eine Pressekonferenz abgehalten wird, wollte er unbedingt dabei sein.
Sie, ähm, sie haben sich auch darauf geeinigt, nichts zu Mrs Lairds Verbindung mit Savich zu sagen, solange sie
nicht dazu gezwungen sind. Was nicht richtig ist, aber dafür … sauberer. Für alle Beteiligten.« DeeDee sog wieder an ihrem Strohhalm. Duncan sagte immer noch nichts. Nach einer Weile fragte sie: »Hast du heute was gegessen?«
Er schüttelte den Kopf.
»Du solltest etwas essen.«
»Ich sollte was essen. Ich sollte schlafen. Ich sollte mich auf andere Fälle konzentrieren. Schon kapiert, DeeDee«, erklärte er gehässig. »Du hast mich während
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