Warnschuss: Thriller (German Edition)
hatte er das mannhaft hingenommen und sich nicht weiter gegrämt. Keine Frau hatte ihm je das Herz gebrochen.
Nur ein einziges Mal hatte er einer die Ehe versprochen: einer Freundin aus Kindertagen, die ihm noch heute nahestand. Der Auslöser war sein fünfunddreißigster Geburtstag gewesen. Damals hatte er ihr erklärt, dass sie beide nicht jünger wurden und beide aus einem bestimmten Grund Singles geblieben waren, vielleicht war dieser Grund ja, dass sie einander heiraten sollten. Er nahm ihr »Meinst du wirklich?« als Nein und erkannte schließlich, was sie längst wusste. Sie liebten und schätzten einander, aber sie waren nicht ineinander verliebt.
Er hatte mit mehr Frauen geschlafen als manch anderer Mann. Mit weniger als andere. Aber noch nie mit einer Schlüsselperson in einem Fall. Und noch nie mit einer verheirateten Frau. Elise Laird war beides. Weshalb die unverständliche Anziehungskraft, die sie auf ihn ausübte, nicht nur unglückselig, sondern auch tabu war.
Zu dumm, dass sein Körper das nicht begreifen wollte.
Der Richter führte seine Frau an den Tisch und schob ihr den Stuhl zurecht. Dann setzte er sich und breitete die Serviette über den Schoß, ehe er die Hand seiner Gemahlin ergriff und sie fest in der seinen hielt. »Ich habe Elise angerufen und sie gefragt, ob sie mit mir zu Mittag essen möchte. Ich dachte, es täte ihr gut, aus dem Haus zu kommen.« Er lächelte sie hingebungsvoll an.
»Das Gleiche dachte ich auch. Vielen Dank für die Einladung.« Sie erwiderte sein Lächeln und schaute dann über den Geranientopf hinweg DeeDee an. »Hallo, Detective Bowen.«
»Bitte verzeihen Sie, dass wir in Ihr gemeinsames Mittagessen geplatzt sind, Mrs Laird. Aber ich nehme an, es kann nicht schaden, dass Sie auch hier sind. Wir wollten
dem Richter eben von den neuesten Entwicklungen erzählen.«
Sofort wandte sich Elise Duncan zu. »Was für Entwicklungen?«
»Es geht um etwas, das wir gestern Abend erfahren haben.« Sowie er die Worte aussprach, begriff er, dass er ihr damit die Angst nahm, er könnte DeeDee von ihrem Besuch in seinem Haus erzählt haben. Ihre sichtbare Erleichterung erleichterte ihn nicht im Geringsten.
Der Ober kam mit seinem und DeeDees Getränk und brachte eine Limonade für Elise mit. Sie sah aus wie die, die Duncan an der Bar getrunken hatte, nur dass Elises mit einem durchsichtigen Plastikspieß verziert war, auf dem eine Erdbeere von der Größe eines mittleren Apfels steckte.
Der Richter bestellte noch einen Scotch. Der Ober fragte, ob sie die Speisekarte zu sehen wünschten, aber der Richter antwortete, er würde ihm winken, wenn sie bereit seien. DeeDee bat um einen Strohhalm, der Ober entschuldigte sich umständlich dafür, keinen mitgebracht zu haben. Diese Ablenkungen ermöglichten es Duncan und Elise, einen langen Blick zu tauschen. Wenigstens blickte sie in seine Richtung. Hinter den dunklen Brillengläsern waren ihre Augen nicht zu erkennen.
Schweißrinnsale rollten an seinem Rumpf hinab, und das nicht nur, weil ihm so heiß war. Die Spannung am Tisch war mit Händen zu greifen. Obwohl alle sich so verhielten, als würden sie sich in dieser Gesellschaft wohlfühlen, und so taten, als handele es sich um ein lockeres Treffen ohne tiefere Absichten, wusste jeder am Tisch, dass es nicht so war.
Niemand sagte ein Wort, bis DeeDees Strohhalm gebracht worden war. Sie dankte dem Ober mit einem Nicken, zog den Halm aus der Papierhülle und steckte ihn in
ihr Glas. »Richter Laird, sagt Ihnen der Name Meyer Napoli etwas?«
Er lachte. »Natürlich. Ich weiß nicht, wie oft er in meinem Gerichtssaal war.«
»Als Angeklagter?«, fragte DeeDee.
»Nur als Zeuge«, erwiderte der Richter ungerührt.
»Für welche Seite?«
»Je nach Fall hat er für die Anklage oder die Verteidigung ausgesagt.«
»Wer ist das?«
»Entschuldige, Liebling.« Der Richter wandte sich an Elise. »Meyer Napoli ist ein Privatdetektiv.«
»Haben Sie je von ihm gehört, Mrs Laird?«
Elise setzte die Sonnenbrille ab und sah DeeDee in die Augen. »Dann hätte ich kaum gefragt, wer er ist.«
Zwischen den Brauen des Richters zeigte sich eine Falte. »Sie haben etwas von neuen Entwicklungen gesagt.«
Der Richter hatte die Bemerkung an Duncan gerichtet, der auch darauf reagierte. »Meyer Napoli wird vermisst. Seit heute Morgen offiziell. Seit über vierundzwanzig Stunden hat ihn niemand mehr gesehen und niemand von ihm gehört. Seine Sekretärin, die ihm sehr nahe zu stehen scheint, ist
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