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Warte auf das letzte Jahr

Warte auf das letzte Jahr

Titel: Warte auf das letzte Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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Schmerzen hat? Damit man ihn verwöhnt. Damit man ihn wie ein Baby hätschelt; er will wieder ein Baby sein, um nicht die Verantwortung eines Erwachsenen tragen zu mü s sen. Sie verstehen? «
    »Derartige Theorien «, bemerkte Eric, »klingen so perfekt, sind so einleuchtend, daß man ihnen mit Mißtrauen bege g nen sollte. «
    »Aber in diesem Fall stimmt es «, versicherte Mary. Sie schob sich an den Geheimdienstbeamten vorbei, öffnete die Tür und trat ein. Als sie neben Ginos Bett stand, blickte sie auf ihn hinunter und fauchte: »Steh auf, du großer, fauler Bastard. «
    Gino öffnete die Augen und richtete sich schwerfällig auf. »Oh. Du bist es. Entschuldige, aber ich …«
    »Ich entschuldige überhaupt nichts «, schnappte Mary. »Du bist nicht krank. Steh auf! Ich schäme mich für dich; jeder schämt sich für dich. Du benimmst dich wie ein Baby – wie kannst du erwarten, daß ich dich respektiere, wenn du dich so aufführst? «
    Nach einer Weile flüsterte Gino: »Vielleicht erwarte ich das gar nicht. « Die Anklage des Mädchens schien ihn mehr als alles andere zu bedrücken. Dann erblickte er Eric. »Sie haben gehört, was sie gesagt hat, Doktor? « erkundigte er sich düster. »Niemand kann sie aufhalten. Sie stürmt hier herein, wenn ich im Sterben liege, und beschimpft mich auf diese Weise – vielleicht ist das der Grund, warum ich ste r be. « Behutsam kratzte er sich den Bauch.
    »Im Moment spüre ich nichts mehr. Ich glaube, daß die Spritze, die Sie mir gegeben haben, dafür verantwortlich ist; was haben Sie mir injiziert? «
    Es liegt nicht an der Spritze, dachte Eric, sondern daran, daß ich McNeil operiert habe. Die Schmerzen sind fort, weil ein Hilfskoch des Weißen Hauses nun ein Transplantherz in seiner Brust trägt. Ich hatte also recht.
    »Wenn mit dir alles in Ordnung ist …« begann Mary.
    »Schon gut «, seufzte Molinari. »Ich werde aufstehen, aber laß mich um Himmels willen allein. « Mühselig erhob er sich. »Ja, verdammt noch mal, ja! « brüllte er wuten t brannt. »Ich stehe auf; bist du nun zufrieden? «
    Mary Reineke drehte sich zu Eric herum. »Was sagen Sie nun? Ich kann ihn dazu bringen, daß er das Bett verläßt; ich kann ihn dazu bringen, daß er wieder wie ein Mann aufrecht dasteht. «
    »Herzlichen Glückwunsch «, murmelte Gino säuerlich, während er sich zittrig aufrichtete. »Ich brauche keine Ärzte; alles, was ich brauche, das bist du. Aber Dr. Sweetscent hat meine Schmerzen verschwinden lassen, nicht du. Was hast du jemals anderes getan, als mich zu beschimpfen? Wenn ich jetzt wieder aufstehen kann, dann allein dank deiner Hi l fe. « Er ging an ihr vorbei und holte aus dem Kleiderschrank seinen Morgenmantel hervor.
    »Er ärgert sich über mich «, wandte sich Mary an Eric. »Aber im Grunde weiß er, daß ich recht habe. « Sie wirkte vollkommen ruhig und selbstsicher; mit verschränkten A r men stand sie da und sah dem Generalsekretär zu, wie er den Gürtel seines blauen Morgenmantels verknotete und in seine Wildledersandalen schlüpfte.
    »Sie ist verdammt eingebildet «, flüsterte Molinari Eric zu und deutete mit dem Kopf auf Mary. »Wenn man ihr gla u ben will, dann hat sie alles zu bestimmen. «
    »Müssen Sie tun, was sie Ihnen sagt? « wollte Eric wissen.
    Molinari lachte. »Sicher. Sollte ich nicht? «
    »Was geschieht, wenn Sie sich weigern? Wird dann alles zusammenbrechen? «
    »Ja «, nickte Molinari, »dann fällt alles in Schutt und Asche. Es ist eine psionische Fähigkeit … und heißt Eine Frau zu sein. Bei Mary ist es das gleiche. Ich bin froh, daß ich sie habe; ich mag sie. Mir macht es nichts aus, daß sie mich beschimpft. Schließlich bin ich aufgestanden, ohne daß es mir geschadet hat; also hat sie recht gehabt. «
    »Ich merke es immer, wenn du dich nur krank stellst «, versicherte Mary.
    »Kommen Sie, Doktor «, bat Molinari. »Man hat etwas vorbereitet, das ich mir anschauen soll; ich möchte, daß Sie es sich auch ansehen. «
    Gefolgt von den Geheimdienstbeamten, überquerten sie den Korridor und betraten ein bewachtes, verschlossenes Zimmer; ein Vorführraum, wie Eric erkannte. Die gegen ü berliegende Wand bestand aus einem großformatigen Fer n sehschirm.
    »Ich werde eine Rede halten «, erklärte Molinari, als sie sich gesetzt hatten. Er winkte, und der große Bildschirm wurde hell. »Die Aufzeichnung wird morgen abend über alle TV-Sender ausgestrahlt werden. Vorher möchte ich aber Ihre Meinung hören, für den Fall,

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