Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Warte auf das letzte Jahr

Warte auf das letzte Jahr

Titel: Warte auf das letzte Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
Vom Netzwerk:
nahm Papier und Kugelschreiber zur Hand und schrieb aus dem Gedächtnis die Formel des Gegenmittels für JJ-180 nieder.
    »Sie liegt im Lazarett in der vierten Etage «, informierte ihn Miss Perth. »Ich wußte nicht, daß sie krank ist; handelt es sich um etwas Ernstes? «
    Eric faltete das Blatt zusammen und gab es ihr. »Bringen Sie das Jonas. Er wird wissen, was es ist und was er damit anfangen soll. « Er fragte sich, ob er hinauf zu Kathy gehen und ihr sagen sollte, daß es bald ein Gegenmittel gab. Ja, er war dazu verpflichtet. »Na gut, « brummte er. »Ich werde sie besuchen. «
    »Bestellen Sie ihr, daß ich ihr gute Besserung wünsche «, rief ihm Til Perth nach, als er das Büro verließ und hinaus in den Korridor schlurfte.
    »Natürlich «, murmelte er.
    Er erreichte das Lazarett. Kathy, bekleidet mit einem weißen wollenen Nachthemd, saß mit übereinandergeschl a genen Beinen und bloßen Füßen in einem Lehnstuhl und las in einer Zeitschrift. Sie wirkte alt und zusammengefallen, und offensichtlich stand sie unter dem Einfluß von starken Beruhigungsmitteln.
    »Ich soll dir gute Besserung von Til ausrichten «, begrüßte er sie.
    Langsam, mit sichtbarer Mühe, blickte Kathy auf und sah ihn an. »Irgend etwas … Neues? «
    »Das Gegenmittel wird bald zur Verfügung stehen. H a zeltine Corporation braucht es nur noch zusammenzubrauen und herzuschicken. Es dauert vielleicht noch sechs Stu n den. « Er wollte ihr ermutigend zulächeln, doch es gelang ihm nicht. »Wie geht es dir? «
    »Besser. Da ich jetzt weiß, daß alles gut werden wird. « Sie war überraschend gefaßt und realistisch, selbst auf ihre schizoide Art. Zweifellos hatten ihr die Beruhigungsmittel geholfen. »Du hast es geschafft, nicht wahr? Du hast das Gegenmittel für mich entdeckt. « Und dann, als würde sie sich erst jetzt daran erinnern, fügte sie hinzu: »Und natürlich auch für dich. Aber du hättest es behalten können, ohne mir etwas davon zu sagen. Danke, Liebster. «
    »Liebster. « Es schmerzte ihn, daß sie ihn so nannte.
    »Ich weiß «, sagte Kathy bedächtig, »daß du mich im Grunde noch immer liebst, trotz der Dinge, die ich dir ang e tan habe. Andernfalls würdest du nicht …«
    »Natürlich würde ich das; hältst du mich für ein moral i sches Ungeheuer? Jeder sollte das Gegenmittel bekommen können, jeder, der auf dem verdammten Zeug draufhängt. Selbst die Sternmenschen. Ich für meinen Teil halte Drogen, die bewußt dazu gedacht sind, Abhängigkeit und körperliche Zerstörung zu erzeugen, für ein abscheuliches Verbrechen gegen das Leben. « Er verstummte dann und dachte: Und j e mand, der andere süchtig macht, ist ein Verbrecher und sollte gehängt oder erschossen werden. »Ich muß jetzt gehen «, e r klärte er. »Ich muß zurück nach Cheyenne. Ich werde wiede r kommen. Viel Glück bei deiner Therapie. « Nach einem M o ment des Zögerns fügte er hinzu, so sanft wie möglich: »Du weißt, daß das Mittel nichts gegen die körperlichen Schäden ausrichten kann, die bereits aufgetreten sind; du verstehst das doch, oder, Kathy? «
    »Wie alt «, fragte sie, »sehe ich aus? «
    »So alt, wie du bist; wie fünf und dreißig. «
    »Nein. « Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe mich im Spi e gel gesehen. «
    »Sorg dafür, ja, daß alle, die in jener Nacht mit dir z u sammen die Droge genommen haben, sich einer Therapie mit dem Gegenmittel unterziehen. Klar? «
    »Natürlich. Sie sind meine Freunde. « Sie spielte mit ihrer Zeitschrift. »Eric, ich kann nicht verlangen, daß du bei mir bleibst, so wie ich jetzt aussehe. So faltig und …« Sie brach ab und versank in Schweigen.
    War dies seine Chance? »Du willst dich scheiden lassen, Kathy? « fragte er. »Wenn du willst, bin ich damit einve r standen. Aber …« Er zögerte. Wie weit konnte Heuchelei gehen? Was wurde jetzt von ihm erwartet? Sein zukünftiges Selbst, sein Gegenpart aus dem Jahre 2056, hatte ihn ang e fleht, sich von ihr zu trennen. Zwang ihn nicht die Vernunft dazu, daß er dem nachgab, und wenn möglich, dann gleich jetzt?
    Leise gestand Kathy: »Ich liebe dich noch immer. Ich möchte mich nicht von dir trennen. Und ich verspreche, dich von nun an besser zu behandeln; ehrlich, ich werde es tun. Ich verspreche es. «
    »Soll ich ehrlich sein? «
    »Ja «, nickte sie. »Du solltest immer ehrlich zu mir sein. «
    »Laß mich gehen. «
    Sie blickte auf. Ihre alte Tatkraft, die Bosheit, die den Charakter ihrer Verbindung bestimmt hatte, glomm in

Weitere Kostenlose Bücher