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Warte auf das letzte Jahr

Warte auf das letzte Jahr

Titel: Warte auf das letzte Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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Menschlichkeit. Ich frage mich, auf welcher Sprosse der Evolution die Unglücklichen anzusiedeln sind.«
    »Ich habe Ihnen nicht gesagt, daß der einmalige Genuß von JJ-180 schon zur Sucht führt«, bemerkte Jonas. »Eric muß es Ihnen verraten haben.«
    »Bei den Echsen der Kreidezeit«, entschied Kathy. »Geschöpfe mit winzigen Gehirnen und riesigen Schwänzen. Kreaturen ohne Verstand; Reflexautomaten, die sich bewegen und reagieren, ohne zu wissen, daß sie existieren. Richtig?«
    »Nun«, sagte Jonas, »es sind die Riegs, die sich mit der Droge werden herumschlagen müssen; ich würde den Riegs keine Träne nachweinen.«
    »Ich würde niemandem eine Träne nachweinen«, versetzte Kathy, »der von JJ-180 abhängig ist. Ich hasse es; ich wünschte …« Sie verstummte. »Vergessen Sie’s; ich bin nur durcheinander, weil Eric fort ist. Sonst ist alles in Ordnung.« Und sie fragte sich, wann sie Gelegenheit bekommen würde, Corning aufzusuchen. Um von ihm die Droge zu bekommen. Sie war sich darüber im klaren, daß sie süchtig danach war. Sie mußte dies akzeptieren.
    Resignation erfüllte sie.
     
    Gegen Mittag saß Dr. Eric Sweetscent in dem sauberen, modernen, aber außerordentlich kleinen Konap in Cheyenne, das ihm von der Regierung zugeteilt worden war, und studierte die Krankenunterlagen seines neuen Patienten, der in dem umfangreichen Papierstoß lediglich »Mr. Brown« genannt wurde. Mr. Brown, dachte er, als er die Akte zurück in die unzerbrechliche Plastikbox schob, ist ein kranker Mann, aber seine Krankheit läßt sich nicht diagnostizieren – zumindest nicht mit den althergebrachten Methoden. Denn – und das war das Absonderliche, auf das ihn Teagarden nicht vorbereitet hatte –, denn der Patient hatte im Lauf der Jahre die Symptome von ernsten organischen Krankheiten gezeigt, Symptome, die nichts mit psychosomatischen Störungen zu tun hatten. Zum Beispiel hatte die Leber eine bösartige, metastasische Geschwulst aufgewiesen – und trotzdem war Mr. Brown nicht gestorben. Und die Geschwulst war wieder verschwunden. Zumindest war von ihr nichts mehr zu bemerken, wollte man den Untersuchungen der letzten zwei Jahre Glauben schenken. Schließlich hatte man vorsorglich eine Operation durchgeführt, und Mr. Browns Leber hatte sich keinesfalls in dem Zustand befunden, wie man es von einem Mann in seinem Alter erwarten konnte.
    Er besaß die Leber eines neunzehn oder zwanzig Jahre alten Mannes.
    Und diese seltsame Feststellung hatte man auch bei seinen anderen Organen getroffen. Aber die allgemeinen Kräfte Mr. Browns ließen nach; er verfiel zusehends und wirkte merklich älter, als er es nach der Zahl seiner Jahre war, und die Aura, die ihn umgab, war die eines kranken Mannes. Es schien, als ob sein Körper sich auf der physiologischen Ebene verjüngte, während seine Essenz, sein psychobiologisches Selbst, zunehmend alterte.
    Welche physiologische Kraft es auch sein mochte, denen seine Organe unterworfen waren, Mr. Brown schien aus ihnen keinen Nutzen ziehen zu können; abgesehen natürlich von der Tatsache, daß ihn die bösartige Lebergeschwulst und der Krebsbefall seiner Milz und die Prostataentartung, die in seinem dritten Lebensjahrzehnt aufgetreten und unentdeckt geblieben war, nicht umgebracht hatten.
    Mr. Brown war am Leben – doch das war auch alles. Alles in allem war sein Körper abgenutzt, und sein Zustand verschlimmerte sich ständig; zum Beispiel sein Kreislaufsystem. Browns Blutdruck lag bei 220 – trotz aller gefäßerweiternden Mittel, die er auf oralem Wege zu sich nahm; außerdem war seine Sehkraft arg in Mitleidenschaft gezogen. Und trotzdem – Eric war davon überzeugt – würde Brown dies zweifellos überwinden, genau wie er alle anderen Leiden überwunden hatte; eines Tages würden die Symptome einfach verschwunden sein, selbst wenn er die vorgeschriebene Diät nicht einhielt und das Reserpin nicht einnahm.
    Die hervorstechende Tatsache war einfach die, daß Mr. Brown zu dem einen oder anderen Zeitpunkt jede bekannte ernste Krankheit gehabt hatte – von Lungenembolien bis zur Gelbsucht. Er war ein wandernde Ansammlung aller nur erdenklichen Leiden, ohne jemals richtig gesund zu werden; zu jedem Zeitpunkt war irgendein wichtiger Teil seines Körpers erkrankt.
    Und doch gelang es ihm auf irgendeine Weise immer, sich selbst zu heilen. Ohne den Einsatz von Transplantorganen. Es schien, als ob sich Brown irgendwelcher Hausmittel, irgendwelcher homöopathischer Medikamente

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