Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Warte auf das letzte Jahr

Warte auf das letzte Jahr

Titel: Warte auf das letzte Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
Vom Netzwerk:
bediente, Kräutermixturen, deren Gebrauch einem verantwortungsbewußten Arzt niemals in den Sinn gekommen wären.
    Brown brauchte seine Krankheiten. Seine Hypochondrie war real; er wies nicht nur lediglich hysterische Symptome auf – er litt an wahrhaftigen Krankheiten, die vorübergehender Natur waren. Falls dies tatsächlich Hysterie war, eine Variante rein psychologisch bedingter Beschwerden, dann sah sich Eric zum erstenmal einem derartigen Phänomen gegenüber. Und dennoch war Eric überzeugt, daß sich all diese Krankheiten aus einem bestimmten Grund entwickelt hatten; sie entstammten der Komplexität, den unergründlichen Tiefen von Mr. Browns Psyche.
    Dreimal in seinem Leben hatte Mr. Brown dafür gesorgt, daß er Krebs bekam. Aber wie? Und – warum?
    Vielleicht war dies eine Folge seiner Todesangst. Und jedesmal scheute er vor der endgültigen Entscheidung zurück. Er brauchte seine Krankheiten – aber nicht den Tod. Demzufolge waren seine Selbstmordwünsche unecht.
    Dies zu wissen war wichtig. Falls dem so war, dann würde Mr. Brown um sein Leben kämpfen – obwohl er Eric zu dem Zweck engagiert hatte, ihn zu töten.
    Deshalb würde Mr. Brown ein ausgesprochen schwieriger Patient werden. Um es vorsichtig auszudrücken. Und zweifellos lief alles auf unbewußter Ebene ab. Mit Sicherheit ahnte Mr. Brown nichts von dem Streit, den gegensätzlichen Wünschen in seinem Innern.
    Die Türglocke läutete. Eric ging an die Tür – und stand einem beflissen wirkenden Mann in einem sauberen Geschäftsanzug gegenüber. Der Mann zeigte ihm seinen Ausweis und erklärte:
    »Geheimdienst, Dr. Sweetscent. Generalsekretär Molinari verlangt nach Ihnen; er hat starke Schmerzen, also ist es besser, wenn wir uns beeilen.«
    »Natürlich.« Eric hastete zum Schrank und holte seinen Mantel; kurz darauf rannte er gemeinsam mit dem Geheimdienstbeamten zu dem geparkten Flitzer. »Magenschmerzen?« fragte Eric knapp.
    »Die Schmerzen haben sich auf die linke Seite verlagert«, berichtete der Geheimdienstbeamte, während er den Flitzer in den Verkehr einfädelte. »Herzbereich.«
    »Hat er gesagt, er hätte das Gefühl, als würde eine schwere Hand seine Brust zusammenpressen?«
    »Nein, er liegt nur da und keucht. Und ruft nach Ihnen.« Der Geheimdienstbeamte schien die Angelegenheit nüchtern zu betrachten; offensichtlich war er mit derartigen Zwischenfällen vertraut. Schließlich war der Generalsekretär ständig krank.
    Nach kurzer Zeit hatten sie das Weiße Haus der UNO erreicht. Wenn ich ihm doch nur ein Transplantorgan einpflanzen könnte, dachte er. Es würde alles beenden …
    Aber ihm war klar, nun, nachdem er die Akten studiert hatte, warum der Maulwurf grundsätzlich eine Transplantoperation ablehnte. Sobald er sich damit einverstanden erklärte, würde er sich erholen; und das bedeutete das Ende seines Pendelns zwischen Krankheit und Gesundheit. Der Kampf der widerstreitenden Gefühle in seinem Innern würde zugunsten der Gesundheit entschieden werden. Sobald die empfindliche psychische Dynamik gestört wurde, mußte er seine Wahl zwischen den beiden Kräften treffen, die um die Herrschaft rangen. Und das konnte er sich nicht erlauben.
    »Hier entlang, Doktor.« Der Geheimdienstbeamte führte ihn einen Korridor entlang bis zu einer Tür, vor der mehrere uniformierte Polizisten postiert waren. Sie machten Platz, und Eric trat ein.
    Im Mittelpunkt des Zimmers stand ein großes, zerwühltes Bett, in dem Gino Molinari auf dem Rücken lag, den Blick auf einen Fernseher gerichtet, der an der Decke angebracht war. »Ich sterbe, Doktor«, sagte Molinari und drehte den Kopf. »Ich glaube, daß die Schmerzen jetzt von meinem Herzen ausgehen. Wahrscheinlich lag es die ganze Zeit an meinem Herzen.« Sein breites, rosiges Gesicht war schweißnaß.
    »Wir werden ein EKG machen«, erklärte Eric.
    »Nein, nicht nötig; das wurde schon vor zehn Minuten erledigt, ohne daß etwas dabei herauskam. Meine gottverdammte Krankheit ist für Ihre Instrumente zu subtil. Obwohl das nicht bedeutet, daß ich gesund bin; ich habe von Leuten gehört, die einen schweren Infarkt erlitten hatten und deren EKGs einwandfrei waren. Hören Sie, Doktor, ich muß Ihnen etwas sagen. Sie machen sich Gedanken über den Ursprung meiner Schmerzen. Unsere Alliierten – unsere Partner in diesem Krieg. Sie haben einen raffinierten Plan entwickelt, mit dem sie sich Tijuana Fur & Dye unter den Nagel reißen wollen; sie haben mir die entsprechenden Unterlagen

Weitere Kostenlose Bücher