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Warte auf das letzte Jahr

Warte auf das letzte Jahr

Titel: Warte auf das letzte Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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mich direkt jünger.« Eric entdeckte, daß der UNO-Generalsekretär tatsächlich jetzt mehr an sein altes Selbst erinnerte; er hatte sich erholt, während er dem Simulacrum auf dem Monitor zusah. Vor allen anderen war der Maulwurf von dem Spektakel fasziniert und selbst sein erster Bewunderer geworden. »Was sagen Sie dazu? Natürlich ist das Simulacrum streng geheim – außer Dawson Cutter von GRS Enterprises sind nur drei oder vier Leute darüber informiert. Aber sie werden es mit der gebotenen Vertraulichkeit behandeln; sie sind den Umgang mit klassifiziertem Material gewöhnt.« Er klopfte Eric auf die Schulter. »Nun, Doktor, wie fühlen Sie sich, wo Sie jetzt Kenntnis von einem Staatsgeheimnis haben? Auf diese Weise funktioniert ein moderner Staat; es gibt Dinge, die die Wähler nicht wissen und die sie zu ihrem eigenen Besten nicht wissen dürfen. Alle Regierungen haben auf diese Weise gearbeitet, nicht nur meine. Oder glauben Sie, daß nur meine Regierung so handelt? Wenn ja, dann haben sie noch eine Menge zu lernen. Ich lasse meine Reden von einer Robameise halten, weil ich trotz aller Bemühungen der Maskenbildner nicht eindrucksvoll und stattlich genug wirke.« Er war ernst geworden; der scherzhafte Unterton war aus seiner Stimme verschwunden. »Also habe ich die Finger davon gelassen. Ich bin Realist.« Düster lehnte er sich in seinem Sessel zurück.
    »Wer hat die Rede geschrieben?«
    »Ich. Es bereitet mir keine Mühe, eine politische Erklärung zu verfassen, die Situation darzustellen und dem Volk zu sagen, wie die Lage aussieht und was weiter geschehen wird und welche Aufgaben sich uns stellen. Mein Verstand funktioniert tadellos.« Er tippte sich an die breite, mächtige Stirn. »Natürlich hatte ich auch Unterstützung.«
    »Unterstützung …« wiederholte Eric.
    »Die Unterstützung eines Mannes, den Sie kennenlernen sollten – ein brillanter junger Rechtsanwalt, der mir als Berater dient, ohne einen Pfennig Geld dafür zu verlangen. Don Festenburg, ein richtiges Schlitzohr; Sie werden von ihm genauso beeindruckt sein wie ich. Er hat die Gabe, die kompliziertesten Themen mit einigen einfachen Sätzen darzustellen … Ich habe immer die Neigung zur Weitschweifigkeit besessen; das ist allgemein bekannt. Doch seit Festenburg für mich arbeitet, ist das vorbei. Er hat das Simulacrum programmiert und mein Leben wesentlich erleichtert.«
    Das synthetische Wesen auf dem Bildschirm sagte gerade: »… und als sich die zahlreichen Nationalstaaten zusammenschlössen und ihre Kräfte vereinten, da stellten wir Terraner eine gewaltige Macht dar, und heute sind wir mehr als nur einer von vielen Planeten, obwohl wir zugegebenermaßen weniger sind als jenes interplanetarische Reich unter der Herrschaft des Lilisterns … Auch wenn wir vermutlich …«
    »Möchten Sie sich das Simulacrum nicht einmal aus der Nähe ansehen?« fragte Molinari.
    »Ich … würde lieber darauf verzichten«, gestand Eric.
    Molinari zuckte die Achseln. »Sie haben die Möglichkeit dazu, aber wenn Sie nicht interessiert sind oder es Ihnen Unbehagen bereitet …« Er blickte Eric an. »Sie sollten das idealistische Bild, das Sie sich von mir gemacht haben, besser vergessen; stellen Sie sich vor, daß das Ding, das dort auf dem Bildschirm spricht, real ist.« Er lachte. »Ich dachte immer, daß ein Arzt, genau wie ein Rechtsanwalt oder ein Priester, es ertragen könnte, das Leben so zu sehen, wie es nun einmal ist; ich hielt die Wahrheit für Ihr täglich Brot.«
    Er lehnte sich zu Eric hinüber; sein Sessel knarrte protestierend und gab unter seinem großen Gewicht ächzend nach. »Ich bin zu alt. Ich kann nicht mehr überzeugend reden. Gott weiß, daß ich es gerne tun würde. Aber das dort ist die Lösung für dieses Problem – oder hätte ich aufgeben sollen?«
    »Nein«, schüttelte Eric den Kopf. Das hätte die Situation nicht geändert.
    »Also benutze ich als Stellvertreter eine Robameise, die von Don Festenburg programmiert wird und meine Reden hält. Wir können weitermachen, und das ist das einzige, was zählt. Sie müssen lernen, damit zu leben, Doktor – werden sie erwachsen.« Sein Gesicht war nun kalt, unnachgiebig.
    »In Ordnung«, sagte Eric nach einem Moment.
    Molinari klopfte ihm auf die Schulter und sagte mit leiser Stimme: »Die Sternmenschen sind über das Simulacrum und Don Festenburgs Hilfe nicht informiert; ich möchte auch nicht, daß sie davon erfahren, Doktor, denn ich will auch sie beeindrucken. Sie

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