Warte auf das letzte Jahr
Corning fortging, um die Droge zu holen; zumindest nahm sie an, daß er sich deswegen entfernt hatte.
Einer der anderen Sternmenschen musterte sie gelassen und bemerkte: »Sie können den Lilistern jahrelang mit dieser Droge verseuchen, ohne daß irgend jemand von ihr abhängig wird.«
»Ja«, stimmte Kathy zu. »Das ist der Unterschied zwischen Ihnen und uns; äußerlich sehen wir uns ähnlich, aber innerlich sind Sie stark, und wir sind schwach. Bei Gott, ich beneide Sie. Wie lange wird Corning brauchen?«
»Er wird gleich wieder hiersein«, versicherte der Sternmensch. »Sie ist hübsch«, wandte er sich an seinen Gefährten.
»Ja, hübsch wie ein Tier«, antwortete der andere Sternmensch.
»Also gefallen dir hübsche Tiere? Hat man dir deshalb diese Aufgabe zugeteilt?«
Corning kehrte zurück. »Kathy, ich werde Ihnen vier Kapseln geben. Nehmen Sie jedesmal nur eine. Eine Überdosis würde sehr wahrscheinlich Ihr Herz schädigen.«
»In Ordnung.« Sie nahm die Kapseln an sich. »Haben Sie eine Tasse oder ein Glas Wasser, damit ich das Zeug hinunterspülen kann?«
Er holte ihr ein Glas und sah mitfühlend zu, wie sie die Kapsel einnahm. »Ich nehme sie nur«, erklärte sie, »um wieder klar denken und mir meine weiteren Schritte überlegen zu können. Ich habe Freunde, die mir helfen werden. Aber trotzdem gehe ich nach Cheyenne, denn Geschäft ist Geschäft, selbst wenn es Sie betrifft. Können Sie mir jemanden nennen, der mir dort weitere Kapseln geben kann, wenn ich sie benötige? Falls ich sie benötige, meine ich.«
»Wir besitzen keinen Verbindungsmann in Cheyenne. Ich fürchte, Sie werden zu mir zurückkehren müssen, wenn Sie diese drei Dosen verbraucht haben.«
»Dann ist es mit Ihrer Unterwanderung von Cheyenne ja nicht weither.«
»Sie haben recht.« Zumindest schien Corning deswegen nicht sonderlich beunruhigt zu sein.
»Auf Wiedersehen«, erklärte Kathy und wandte sich ab. »Leben Sie wohl«, rief sie den Sternmenschen zu, die sich im Apartment aufhielten. »Gott, was sind Sie widerlich. So selbstsicher. Es muß ja ein großer Sieg für Sie …« Sie verstummte; was hatte es schon für einen Sinn? »Virgil Ackerman ist über mich informiert. Ich wette, daß er etwas unternehmen wird; er fürchtet sich nicht vor Ihnen, dafür ist er viel zu mächtig.«
»In Ordnung«, nickte Corning. »Ich will Ihnen Ihre Illusionen nicht nehmen. Aber von nun an verlange ich, daß Sie es niemandem sonst mitteilen, denn andernfalls bekommen Sie keine Kapseln mehr. Sie hätten es den Ackermans nicht verraten sollen, aber ich werde das noch einmal durchgehen lassen; schließlich waren Sie nicht mehr bei vollem Verstand, als die Wirkung der Droge nachließ – wir haben damit gerechnet. Es war eine Kurzschlußhandlung. Viel Glück, Kathy, und ich hoffe, daß wir bald von Ihnen hören werden.«
»Kannst du ihr nicht jetzt schon die weiteren Instruktionen geben?« fragte ein Sternmensch mit müden, froschähnlichen Augen, der hinter Comings Rücken aufgetaucht war.
»Das wäre sinnlos; sie würde es nicht behalten«, entgegnete Corning. »Sie ist jetzt schon überfordert; siehst du nicht, wie erschöpft sie ist?«
»Gib ihr einen Abschiedskuß«, schlug der Sternmensch hinter ihm vor. »Oder wenn ihr das nicht zusagen sollte …«
Die Wohnungstür fiel ins Schloß.
Einen Augenblick noch blieb sie dort stehen und wandte sich dann ab, entfernte sich in Richtung Treppe. Ich fühle mich benommen, dachte sie, Desorientierung … Ich hoffe nur, daß ich rechtzeitig ein Taxi bekomme. Sobald ich erst einmal im Taxi sitze, ist alles in Ordnung. Mein Gott, sie haben mich schändlich behandelt; ich sollte an sich beleidigt sein, aber in Wirklichkeit ist es mir gleichgültig. Zumindest solange ich noch diese drei Kapseln mit dem JJ-180 habe. Und noch mehr bekommen kann.
Die Kapseln waren wie konzentrierte Lebenskraft, und dennoch war gleichzeitig alles, was sie bewirkten, eine vollkommene Illusion. Was für ein Schlamassel, dachte sie düster, als sie das Landedach betrat und nach dem roten, flackernden Positionslicht eines Automatentaxis Ausschau hielt. Ein … Schlamassel.
Schließlich traf ein Taxi ein, und als sie in dem weichen Polstersitz saß und sich auf dem Weg nach Cheyenne befand, da bemerkte sie, daß die Droge zu wirken begann.
Die ersten Anzeichen verblüfften sie. Und sie fragte sich, ob dies nur eine Halluzination oder ob es Wirklichkeit war; dies zu wissen, schien ihr schrecklich wichtig zu sein.
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