Warte auf das letzte Jahr
verstehen? Ich habe eine Kopie dieses Videobandes zum Lilistern geschickt; es müßte dort inzwischen eingetroffen sein. Soll ich Ihnen die Wahrheit sagen, Doktor? Nun, offen gestanden, mir geht es mehr darum, sie zu beeindrucken als die Bevölkerung der Erde. Was sagen Sie dazu? Ich will Ihre ehrliche Meinung hören.«
»Nun«, erwiderte Eric, »das verrät mir mehr über die Gefährlichkeit unserer Lage als alles andere.«
Der Maulwurf bedachte ihn mit einem melancholischen Blick. »Ja, wahrscheinlich haben Sie recht. Obwohl das im Grunde nicht weiter wichtig ist; wenn Sie nur eine Ahnung davon hätten, was …«
»Sprechen Sie nicht weiter. Nicht jetzt.«
Auf dem Bildschirm redete Gino Molinaris Simulacrum mit eindringlichen Gesten und beschwörender Stimme weiter auf das unsichtbare Fernsehpublikum ein.
»Gewiß, gewiß«, stimmte Molinari beschwichtigend zu. »Tut mir leid, daß ich Sie mit meinem Problem belästigt habe.« Bedrückt, mit müdem, zerfurchtem Gesicht wandte er seine Aufmerksamkeit wieder dem Bildschirm zu, dem gesunden, energischen, ganz und gar synthetischen Bild seines früheren Selbst.
Kathy Sweetscent stand in der Küche ihres Konap und griff unbeholfen nach einem Schälmesser, um eine Zwiebel zu zerkleinern, als sie mit einem ungläubigen Blick feststellte, daß sie sich in den Finger geschnitten hatte; stumm, mit dem Messer in der Hand sah sie zu, wie die blutroten Tropfen an ihrem Finger entlangliefen und sich mit dem Wasser vermischten, das ihr Handgelenk benetzt hatte. Sie konnte nicht einmal mehr die einfachsten Arbeiten ausführen. Die verdammte Droge, dachte sie verbittert. Von Minute zu Minute raubt sie mir mehr von meiner Kraft. Alles mißlingt mir. Wie, zum Teufel, soll ich mir da etwas zu essen machen können? Hinter ihr ertönte Jonas Ackermans besorgte Stimme. »Irgend etwas muß mit Ihnen geschehen, Kathy.« Er blickte ihr nach, als sie ins Badezimmer ging, um sich einen Verband zu holen. »Und jetzt lassen Sie auch noch die Mullbinden fallen. Wenn Sie mir doch nur verraten würden, was Sie haben, was …«
»Würden Sie mich bitte verbinden?« Sie schwieg, während Jonas ihren verletzten Finger mit der Mullbinde umwickelte. »Es ist dieses JJ-180«, brach es plötzlich aus ihr hervor. »Ich bin süchtig danach. Die Sternmenschen haben mich draufgebracht. Bitte, helfen Sie mir, holen Sie mich davon runter. Ja?«
Jonas starrte sie entsetzt an. »Ich … ich weiß nicht genau, was man dagegen unternehmen kann; es ist eine völlig neue Droge. Natürlich werden wir uns sofort mit Hazeltine in Verbindung setzen. Die ganze Gesellschaft, Virgil eingeschlossen, wird sich um Sie kümmern.«
»Sprechen sie mit Virgil. Jetzt sofort.«
»Jetzt? Es ist sehr spät, Kathy; es liegt an der Droge, daß Sie so ungeduldig sind. Ich werde morgen mit ihm reden.«
»Verdammt noch mal, die Droge wird mich umbringen. Also setzen Sie sich besser noch heute nacht mit ihm in Verbindung, Jonas, hören Sie?«
Jonas dachte nach. »Ich werde ihn anrufen«, erklärte er schließlich.
»Das Videonetz wird abgehört. Von den Sternmenschen.«
»Das klingt reichlich paranoid. Eine Nebenwirkung der Droge.«
»Ich fürchte mich vor ihnen.« Sie hatte zu zittern begonnen. »Ihnen ist alles zuzutrauen. Sie müssen Virgil persönlich aufsuchen, Jonas; es hat keinen Sinn, ihn anzurufen. Oder kümmert Sie es denn überhaupt nicht, was aus mir wird?«
»Natürlich kümmert mich das! Na schön, ich werde zu dem Alten gehen. Aber kann ich Sie denn allein lassen?«
»Ja«, nickte Kathy. »Ich werde mich ins Wohnzimmer setzen und nichts unternehmen. Ich werde einfach darauf warten, daß Sie zurückkommen und mir Hilfe bringen. Was kann mir schon passieren, wenn ich nur dasitze und nichts tue?«
»Vielleicht versuchen Sie sich umzubringen. Vielleicht werden Sie von Panik übermannt … und versuchen fortzulaufen. Wenn es stimmt, daß Sie süchtig nach JJ-180 sind …«
»Es stimmt!« rief sie. »Glauben Sie denn, daß ich mir einen Scherz mit Ihnen mache?«
»Schon gut«, sagte Jonas. Er führte sie ins Wohnzimmer und drückte sie auf die Couch. »Gott, ich hoffe, daß Ihnen nichts zustößt – ich hoffe, daß ich keinen Fehler mache.« Er schwitzte und war blaß geworden, und sein Gesicht wies einen besorgten Ausdruck auf. »Ich werde in einer halben Stunde zurück sein, Kathy. Mein Gott, wenn irgend etwas passiert, wird mir das Eric niemals verzeihen, und ich könnte es ihm nicht einmal
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