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Warte auf das letzte Jahr

Warte auf das letzte Jahr

Titel: Warte auf das letzte Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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Hilfe.« Er ging an ihr vorbei und holte aus dem Kleiderschrank seinen Morgenmantel hervor.
    »Er ärgert sich über mich«, wandte sich Mary an Eric. »Aber im Grunde weiß er, daß ich recht habe.« Sie wirkte vollkommen ruhig und selbstsicher; mit verschränkten Armen stand sie da und sah dem Generalsekretär zu, wie er den Gürtel seines blauen Morgenmantels verknotete und in seine Wildledersandalen schlüpfte.
    »Sie ist verdammt eingebildet«, flüsterte Molinari Eric zu und deutete mit dem Kopf auf Mary. »Wenn man ihr glauben will, dann hat sie alles zu bestimmen.«
    »Müssen Sie tun, was sie Ihnen sagt?« wollte Eric wissen.
    Molinari lachte. »Sicher. Sollte ich nicht?«
    »Was geschieht, wenn Sie sich weigern? Wird dann alles zusammenbrechen?«
    »Ja«, nickte Molinari, »dann fällt alles in Schutt und Asche. Es ist eine psionische Fähigkeit … und heißt Eine Frau zu sein. Bei Mary ist es das gleiche. Ich bin froh, daß ich sie habe; ich mag sie. Mir macht es nichts aus, daß sie mich beschimpft. Schließlich bin ich aufgestanden, ohne daß es mir geschadet hat; also hat sie recht gehabt.«
    »Ich merke es immer, wenn du dich nur krank stellst«, versicherte Mary.
    »Kommen Sie, Doktor«, bat Molinari. »Man hat etwas vorbereitet, das ich mir anschauen soll; ich möchte, daß Sie es sich auch ansehen.«
    Gefolgt von den Geheimdienstbeamten, überquerten sie den Korridor und betraten ein bewachtes, verschlossenes Zimmer; ein Vorführraum, wie Eric erkannte. Die gegenüberliegende Wand bestand aus einem großformatigen Fernsehschirm.
    »Ich werde eine Rede halten«, erklärte Molinari, als sie sich gesetzt hatten. Er winkte, und der große Bildschirm wurde hell. »Die Aufzeichnung wird morgen abend über alle TV-Sender ausgestrahlt werden. Vorher möchte ich aber Ihre Meinung hören, für den Fall, daß Ihnen etwas auffällt, was geändert werden müßte.« Er blickte Eric listig an, als ob er nicht alles gesagt hätte.
    Warum interessiert ihn meine Meinung, fragte sich Eric, während auf dem Monitor das Bild des UNO-Generalsekretärs sichtbar wurde. Der Maulwurf trug die militärischen Insignien des Oberbefehlshabers der irdischen Streitkräfte: Orden und Schulterspangen und Rangabzeichen, und sein Kopf wurde von der steifen Marschallsmütze gekrönt, deren Schirm den oberen Teil seines rundlichen pausbäckigen Gesichtes verbarg, so daß nur die untere Hälfte, das kantige Kinn mit der strengen Furche, zu erkennen war.
    Und unerklärlicherweise waren seine Wangen nicht mehr schlaff; sondern straff und fest. Es war ein hartes, ernstes Gesicht, das jetzt auf dem Bildschirm zu sehen war, geprägt von einer inneren Autorität, die Eric zuvor bei dem Maulwurf noch nicht bemerkt hatte … oder doch?
    Ja, dachte er. Doch dies lag schon Jahre zurück, damals, als der Maulwurf sein Amt angetreten hatte und jünger gewesen war, noch nicht zerbrochen unter der Last der Verantwortung. Und jetzt begann der Maulwurf auf dem Monitor mit seiner Rede … Und seine Stimme – es war die alte vertraute Stimmen von früher. Die gleiche wie damals, vor zehn Jahren, vor diesem schrecklichen Krieg, den sie allmählich verloren.
    Kichernd hockte Molinari neben Eric auf dem weichen Schaumstoffsessel. »Ich sehe gut aus, nicht wahr?«
    »Ja, in der Tat.« Die Stimme, die aus dem Lautsprecher drang, klang sonor und sogar dann und wann ein wenig eindrucksvoll, majestätisch. Und genau diese Eigenschaften hatte Molinari verloren und war bemitleidenswert geworden. Auf dem Bildschirm sprach der würdige, ehrfurchteinflößende Mann in der Uniform voll Überzeugung und ohne Zögern; auf dem Videoband befahl und informierte der UNO-Generalsekretär, flehte nicht, wandte sich nicht mit der Bitte um Hilfe an die irdische Bevölkerung … er sagte ihr, was in dieser Krisenzeit zu tun war. Und so sollte es auch sein. Aber wie hatte man das fertiggebracht? Wie war es dem unentschlossenen, hypochondrischen Invaliden, der an seinen endlosen Krankheiten litt, gelungen, sich zusammenzureißen und so auszusehen? Verwirrung erfüllte Eric.
    »Es ist ein Schwindel«, ertönte neben ihm Molinaris Stimme. »Das bin ich nicht.« Er lächelte vergnügt, als Eric ihn anstarrte und dann wieder zum Bildschirm sah.
    »Und wer ist es dann?«
    »Niemand. Es ist eine Robameise. General Rob Servant Enterprises hat sie für mich entwickelt – diese Rede ist ihr erster Auftritt. Sieht hübsch aus, genau wie mein altes Selbst; wenn ich ihr zuschaue, fühle ich

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