Warte, Bald Ruhest Auch Du: Mitchell& Markbys Dritter Fall
gehen.
Sie fröstelte. Sie konnte jetzt nicht versuchen, nach Bamford zurückzufahren, mußte abwarten, bis der Sturm ein wenig nachgelassen hatte. Hier oben war es wenigstens trocken. Bereit Geduld zu üben, setzte sie sich auf die aufgestapelten Säcke.
Da sie nichts anderes zu tun hatte, begann sie nachzudenken. Diese Farm war mehr als seltsam, Michael hatte absolut recht. Tatsächlich stimmte hier einiges ganz entschieden nicht. Sie konnte es Michael nicht übelnehmen, daß er sich Jessica von hier fortwünschte. Die Winthrops waren eine merkwürdige Gesellschaft. Jessica war zwar auch eine Winthrop, sah aber durch eine Laune der Erbanlagen nicht nur ganz anders aus, sie war auch anders. Vielleicht war Mary Anne so wie Jessica gewesen.
Der Wind heulte durch eine Spalte in den Dachsparren, und Meredith wickelte sich fester in den Anorak. Das Pony wieherte und schlug wieder aus. Wenn es ausbrach, konnte sie kaum etwas dagegen tun. Sie hatte nicht die Absicht, es draußen in Sturm und Regen einzufangen. Der Wind kreischte hoch und schrill, und sie fuhr zusammen. Es war unter diesen Umständen nicht schwierig, sich in das Jahr 1840 zurückzudenken. Nicht schwierig, sich statt des Windes die Flammen des brennenden Gebetshauses vorzustellen, wie Mary Anne sie gesehen hatte, als sie zum Fenster ihres verschlossenen Zimmers lief.
Es war schon merkwürdig, wie sie die Leute abwimmelten, die sie auf der Farm besuchen wollten. Sie war schließlich nur eingelassen worden, weil sie auf Alans Empfehlung gekommen war, davon war sie überzeugt. Michael hatte man ohne Umschweife hinausgeworfen. Und warum waren sie so gegen Michael voreingenommen?
Dann war da Alwyns Faszination für die Baustelle, die fast zu einer krankhaften Obsession ausartete. Steve Wetherall war sie aufgefallen, als Alwyn Tag für Tag dort gestanden und zugesehen hatte, wie die Mauern wuchsen. Und die Fundamente ausgebaggert wurden.
Meredith fuhr stocksteif in die Höhe. Alwyn mußte alles wissen, was es über die tägliche Routine auf der Baustelle zu wissen gab. Wie und wann die Fundamente gegraben, mit Beton aufgefüllt und die Mauern hochgezogen wurden … Alwyn.
Barry und sein Freund hatten während des Wochenendes an dem der erste Mord begangen worden war, keine Fremden auf der Baustelle gesehen, auch keinen fremden Wagen. Aber sie hatten einen
»alten, mit Schlamm bedeckten Landrover« gesehen, der, wie sie wußten, dem rothaarigen Farmer gehörte.
Meredith hörte nicht mehr das Heulen des Windes oder das Klappern der Holzwände, auch nicht den Regen, der unbarmherzig dagegenpeitschte. Sie dachte an den Abend, an dem Hersey gestorben war. Alwyn hatte nach der kleinen Szene mit Jessica und Michael Denton den Tisch verlassen. War aus dem Pub gestürmt. Aber wohin? Hersey war später gegangen … War Alwyn noch draußen umhergewandert?
Meredith schüttelte den Kopf. Es ergab keinen Sinn. Hersey war Alwyns Nachbar und Freund gewesen. Und was war mit dem ersten Mordopfer? Es gab kein Motiv? Und würde Alwyn töten? Vielleicht, dachte sie. Durch die Umstände gezwungen, könnte er es tun. Alwyn war ein kräftiger Mann und stand stark unter Streß. Er hatte Barry und seinen Freund mit einer Schrotflinte bedroht. Wer wußte schon, ob er seine Grenze der Belastbarkeit erreicht hatte oder tatsächlich schon darüber hinaus war?
Aber warum? Meredith lehnte sich an einen senkrechten Pfosten hinter ihr und schüttelte den Kopf. Müßig begann sie mit dem Finger die Buchstaben der Aufschrift des Sackes nachzuziehen, auf dem sie saß.
MILCHPULVER. EWG-PRODUKT. NUR FÜR DIE FÜTTERUNG VON KÄLBERN BESTIMMT.
Die Leute holten ihr tägliches Pint Milch von der Türschwelle ins Haus und dachten nie daran, wie sie hergestellt wurde. Damit eine Kuh Milch gab, mußte sie gekalbt haben. Doch wenn das Kalb zuviel Milch trank, war der Gewinn des Milchbauern zu gering, also wurde das Kalb der Kuh weggenommen und mit Trockenmilch gefüttert, die es bei der EWG im Überfluß gab, denn es wurde ohnehin zuviel Milch produziert. Meredith nahm an, daß in dem System irgendein vernünftiger Sinn steckte, obwohl sie über die Agrarpolitik des Gemeinsamen Marktes nicht sehr viel wußte. Oft kam sie ihr nicht sehr logisch vor.
Und ganz besonders unsinnig erschien sie ihr auf Greyladies, denn hier gab es keine Kälber. Niemand brauchte Milchpulver.
Meredith wirbelte der Kopf, und sie mußte sich zwingen, logisch zu denken, immer einen Schritt nach dem anderen. Alan hatte
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