Warte, Bald Ruhest Auch Du: Mitchell& Markbys Dritter Fall
wissen wollen. Und meine Hobbys sind – sind religiöse Minoritäten des achtzehnten Jahrhunderts. Ich schreibe eine Abhandlung darüber.«
»Wenn Sie was schreiben, sind Sie Journalistin«, entgegnete Hersey eigensinnig. »Also versuchen Sie erst gar nicht, uns was anderes vorzumachen.«
»Ich denke, Miss Mitchell«, sagte der junge Mann nervös mit leiser Stimme zu ihr, »daß wir auf dieser Baustelle schon genug Schwierigkeiten haben.« Er sah Hersey bedeutungsvoll an, der im Hintergrund stand und in dem es sichtlich gärte. »Sie haben wahrscheinlich von unserem Mordfall gehört – ich meine von dem Mordopfer, das hier gefunden wurde. Ein paar Männer sind noch immer sehr aufgeregt, mußten endlose Fragen der Polizei über sich ergehen lassen. Wir alle. Tut mir leid, daß wir Ihnen nicht helfen können. Ich bezweifle ohnehin, daß jemand etwas gefunden hat, wie von Ihnen beschrieben. Das hätte Aufmerksamkeit erregt.«
Meredith hatte keine Wahl, mußte ihre Niederlage hinnehmen. Sie entschuldigte sich und trat den Rückzug an. Vor dem Büro blieb sie stehen und hörte den grollenden Stimmen zu, die ihre dreiseitige Auseinandersetzung wieder aufgenommen hatten. Dann preßte sie die Lippen zusammen, warf das Haar zurück und überlegte, daß sie eigentlich jetzt ein paar Fragen stellen könnte, solange der unangenehme Hersey im Büro beschäftigt war. Zielstrebig machte sie sich auf den Weg.
Sie bog um die Ecke zweier halbfertiger Häuser, um vom Büro aus nicht mehr gesehen zu werden. Dort fand sie zwei Männer, die auf einer provisorischen Bank saßen – einem Brett, das links und rechts je auf einem Stapel Ziegel auflag. Sie aßen mit Fleisch, Kartoffeln und Zwiebeln gefülltes Blätterteiggebäck, sogenannte Cornish Pasties, die sie mit Lagerbier aus Dosen hinunterspülten.
»Guten – guten Tag«, sagte Meredith vergnügt mit einem raschen Blick auf ihre Uhr.
»Hallo, Schätzchen«, erwiderten die Männer freundlich.
»Schöner Tag heute.« Sie überlegte, wie sie in kürzester Zeit auf das zu sprechen kommen konnte, was sie hergeführt hatte. »Ich bin Amateurhistorikerin von der hiesigen Historischen Gesellschaft.« Meredith war selbst überrascht, wie leicht ihr diese Worte über die Lippen gingen. »Es ist jammerschade, daß die Bauarbeiten so schnell fortschreiten und keine Zeit bleibt, nachzusehen, ob hier etwas zu finden wäre, was für uns einheimische Historiker von Interesse sein könnte. Die Häuser scheinen ja über Nacht aus dem Boden zu schießen.«
»Nicht auf dieser Baustelle«, sagten sie. »Gibt andauernd Unterbrechungen. Wir haben viel Pech hier.« Sie wechselten bedeutsame Blicke und verstummten.
»Wofür ich – wofür wir von der Historischen Gesellschaft uns interessieren, sind Dinge, die Sie vielleicht nicht einmal bemerken würden. Einfache Sachen, die Sie achtlos wegwerfen würden. Aber ich nehme an, niemand hat so etwas ausgegraben, oder?«
Sie musterten sie mißtrauisch. Wechselten wieder einen Blick. »Nein«, sagten sie im Chor.
»Eine Gürtelschnalle, ein Stück Stoff oder ein Lederschuh wäre mir einen Fünfer wert«, sagte Meredith. »Solche Sachen bleiben oft erhalten.«
Sie sahen jetzt zwar interessiert, aber auch bedauernd aus. »Haben nichts gefunden, Schätzchen. Aber wir werden uns umhören. Wenn jemand was findet, soll er’s beiseite tun, und wenn Sie in ein, zwei Tagen wieder vorbeikommen …«
Wütendes und Meredith wohlbekanntes Gebrüll wurde laut. »Oh! Sie!«
Die schlaksige Gestalt des Poliers tauchte auf, wild schwenkte er die Arme, sein Gesicht war vor Zorn verzerrt.
Es gibt Zeiten, in denen das alte Sprichwort »Wer kämpft und flieht, bleibt am Leben, um am nächsten Tag wieder zu kämpfen« durchaus seine Berechtigung hat.
Meredith floh.
Da es nur vernünftig schien, sich von der Baustelle so schnell wie möglich zu entfernen, zog sie sich in das darunterliegende offene Farmland zurück. Herseys Flüche und Verwünschungen wurden ihr vom Wind nachgetragen und wurden schwächer, je weiter sie ging. Alan hatte recht gehabt, als er sie vor dem Polier gewarnt hatte. Hersey, dachte Meredith, kann bestimmt gut mit einer Schaufel umgehen, und er hat sicherlich auch genau gewußt, wann die Gräben des Fundaments mit Beton ausgegossen werden sollten. Es wäre wirklich überaus befriedigend, Hersey mit der Beerdigung des Unbekannten in Verbindung bringen zu können.
Sie kletterte über einen Zauntritt und überquerte ein Feld, auf dem Schafe weideten. Sie wußte
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