Warte, bis du schlaefst
Medienberichten über die anderen drei Mädchen, Emily, Rosemarie und Virginia. Er konnte sich so deutlich an sie erinnern, als wäre alles erst gestern geschehen. Emily war die Erste gewesen. Die Zeitungen hatten am Anfang nicht allzu viel über ihr Verschwinden berichtet. Sie war schon einmal von zu Hause weggelaufen, als sie daher ein weiteres Mal nicht mehr in das Haus der Familie in Trenton, New Jersey, zurückkehrte, hielten es auch ihre Eltern für möglich, dass sie freiwillig abgetaucht war.
Doch als Rosemarie drei Jahre später vermisst wurde, haben sie auch die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass Emily entführt worden war. Und als dann Virginia vor vier Jahren spurlos verschwand, haben die Medien endlich voll aufgedreht und über eine Verbindung zwischen den drei Fällen spekuliert.
Natürlich hat das nicht lange angehalten. Immer mal wieder hat sich zwar irgend so ein Möchtegern-Pulitzer-Preisträger hingesetzt und einen Artikel über die drei jungen Damen verzapft, aber da keine neuen Fakten auf den Tisch kamen, sank das Interesse der Öffentlichkeit auf null.
Mit Leesey war nun alles anders geworden. »Mack, wo steckst du?«, war die Frage, die alle Leute bewegte.
Ausgestattet mit einem Jogginganzug mit Kapuze und einer dunklen Sonnenbrille, bog er in Richtung Sutton Place
ein. Wie erwartet war die Straße zugeparkt mit Fahrzeugen der Medien. Großartig, dachte er, einfach großartig. Er holte eine kleine Metalldose aus seiner Tasche und entnahm ihr Leeseys Handy. Wenn er jetzt eine Nummer eingab, würden sie in der Lage sein, den Ausgangspunkt des Signals in dieser Umgebung zu orten. Er musste lächeln. Genau das wollen wir doch, nicht wahr? Er gab die Nummer der Wohnung ein, wartete, bis Carolyn sich meldete, und unterbrach die Verbindung sofort wieder. Dann beschleunigte er seine Schritte und verschwand in der Menge der rasch dahineilenden Fußgänger in der Fifty-seventh Street.
36
Bruce Galbraith und seine Frau Dr. Barbara Hanover Galbraith hatten es bisher vermieden, über Mack MacKenzie zu sprechen. Doch am Mittwochabend, als die Kinder zu Bett gebracht worden waren und sie die Zehnuhrnachrichten gesehen hatten, war Bruce klar, dass er das Thema anschneiden musste.
Sie saßen in der Bibliothek ihrer weiträumigen Wohnung an der Park Avenue. Wenn Bruce auf Geschäftsreise war, wurde ihm immer wieder aufs Neue bewusst, wie glücklich er sich in seinem Heim und mit seiner Familie schätzen konnte. Barbara war in einen hellgrünen Pyjama geschlüpft und hatte ihre aschblonden Haare gelöst, sodass sie ihr offen auf die Schultern fielen. Die Zeit, in der er in ihrer Gegenwart verlegen war und sich unbeholfen vorkam, war zwar schon lange vorüber, doch immer noch schlummerte irgendwo in seinem Unbewussten das Gefühl, er könnte eines Tages aufwachen und feststellen, dass er geträumt hatte, dass sein bisheriges Leben eine einzige Illusion war.
Ihm war nicht entgangen, dass Barbara in den letzten Tagen unter wachsender Anspannung stand, seitdem die Medien Mack zunächst in Zusammenhang mit dem Verschwinden von Leesey Andrews, der jungen Frau aus Connecticut, und dann mit dem Mord an der Schauspiellehrerin gebracht hatten.
Während der Sendung, als Bilder von Mack auf dem Bildschirm erschienen, hatte Bruce das Gesicht seiner Frau beobachtet, und die Eifersucht, die er nie ganz überwunden hatte, war wieder in ihm aufgestiegen. Als er den roten Knopf auf der Fernbedienung drückte und zusah, wie der Bildschirm dunkel wurde, wusste er, dass ein Gespräch nicht mehr länger aufgeschoben werden konnte.
»Barb«, sagte er, »ich war in diesem Nachtclub an dem Abend, an dem dieses erste Mädchen spurlos verschwunden ist.«
»Das weiß ich, aber außer dir waren noch zwanzig andere Studenten der Columbia University dort, darunter Nick und Mack«, entgegnete Barbara, ohne ihn dabei anzusehen.
»Carolyn MacKenzie hat sich bei mir gemeldet, aber ich habe sie noch nicht zurückgerufen. Ich bin sicher, dass sie die Suche nach Mack wieder aufgenommen hat. Und wenn die Polizei jetzt ihre Ermittlungen ausweitet, werden sie sich unweigerlich auch an mich wenden. Schließlich haben Nick und ich in derselben Wohnung gewohnt wie Mack.«
Er sah, dass seine Frau mit den Tränen kämpfte. »Was willst du mir damit sagen?«, fragte sie mit bebender Stimme.
»Ich wollte vorschlagen, dass du mit den Kindern zu deinem Vater nach Martha’s Vineyard fliegst. Er hat drei Herzanfälle hinter sich. Niemand wird
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