Warte, bis du schlaefst
Kaffee in unserer kleinen Küche selbst zu machen. Daraufhin haben mein Assistent, meine Sekretärin, meine Empfangsdame und mein Buchhalter mich beschworen, das lieber wieder bleiben
zu lassen. Sie meinten, in meinem Kaffee könne man einen Löffel zum Stehen bringen.«
Ich war so dankbar für seinen Versuch, mich ein wenig aufzumuntern, dass ich spürte, wie mir Tränen in die Augen stiegen. Er tat so, als bemerke er nichts. Ich hatte am Telefon angeboten, den Ordner über Mack mitzubringen, doch er hatte gesagt, dass er eine Kopie davon besitze. Sie lag auf dem Couchtisch. Er deutete darauf. »Bringen Sie mich auf den neuesten Stand, Carolyn.« Sein Blick ruhte die ganze Zeit auf mir, als ich ihm berichtete, dass Mack meinetwegen zum Verdächtigen im Fall Leesey Andrews und auch im Fall Esther Klein geworden war.
»Und jetzt glaubt die Polizei, dass Mack Leeseys Handy hat. Natürlich, unsere Nummer steht nicht in den öffentlichen Verzeichnissen, doch sie hat sich seit meiner Kindheit nicht geändert. Hunderte von Leuten dürften sie kennen.« Ich biss mir auf die Unterlippe. Sie zitterte so sehr, dass ich nicht fortfahren konnte. Ich musste daran denken, dass Mom über all diese Jahre diese Wohnung nicht aufgeben wollte, damit ihr nur keiner von Macks Anrufen entging.
Reeves’ Miene war beim Zuhören zunehmend ernster geworden. »Ich fürchte, Ihr Bruder ist ein sehr geeigneter Verdächtiger, Carolyn. Lassen Sie mich aufrichtig sein. Ich konnte damals keinen plausiblen Grund erkennen, weshalb sich ein einundzwanzigjähriger Mann mit seinem Hintergrund aus freien Stücken entscheiden sollte unterzutauchen. Ehrlich gesagt habe ich mir in den letzten Tagen, als so viel in den Medien über ihn berichtet wurde, seine Akte noch einmal vorgenommen und auch ein bisschen zusätzlich recherchiert, aus einem rein persönlichen Bedürfnis heraus. Ihr Vater hat mich damals großzügig bezahlt,
und ich habe ihm in keiner Weise helfen können, Macks rätselhaftes Verschwinden zu erklären.«
Er blickte an mir vorbei. »Ah, da kommt der Kaffee, den ich nicht zubereitet habe.« Er wartete, bis die Tassen auf dem Tisch standen und wir wieder allein waren, bevor er fortfuhr. »Ich will es einmal aus der Sicht der Polizei betrachten. An dem Abend, an dem das erste Mädchen verschwand, war Ihr Bruder in diesem Club, The Scene . Aber da waren auch seine beiden Wohnungsgenossen, weitere Columbia-Studenten und ungefähr fünfzehn weitere Gäste. Es war ein kleiner Club, aber es waren natürlich noch ein Barkeeper, einige Kellner und eine kleine Band anwesend. Diese Liste, so vollständig, wie es mir möglich war, befindet sich hier in der Akte Ihres Bruders. Da die Polizei inzwischen glaubt, dass Ihr Bruder etwas mit diesem ersten Fall zu tun haben könnte, so lassen Sie uns einmal versuchen, ihren Gedankengang nachzuvollziehen. Mit der modernen Technologie wird es zunehmend einfacher, das Leben von Menschen zu verfolgen. Ich kann Ihnen mit einigem Stolz sagen, dass unsere Agentur über technische Möglichkeiten verfügt, von denen andere nur träumen können. Wir werden unsere Kenntnisse über alle Personen auf den neuesten Stand bringen, von denen wir wissen, dass sie vor zehn Jahren in diesem Club waren.«
Er nahm einen Schluck von seinem Kaffee. »Köstlich. Stark, ohne bitter zu sein. Wunderbare Eigenschaften, finden Sie nicht?«
Ich fragte mich, ob das eine Mahnung sein sollte. Hatte er meine wachsenden bitteren Gefühle gegenüber Mack, ja, sogar gegenüber meiner Mutter gespürt?
Er wartete nicht auf eine Antwort. »Sie sagten, Sie hätten
das Gefühl, dass dieses Hausmeisterehepaar, die Kramers, vielleicht etwas zu verbergen hätten?«
»Ich weiß nicht, ob sie etwas zu verbergen haben«, antwortete ich. »Ich weiß nur, dass sie auffällig nervös waren, fast als ob sie beschuldigt würden, etwas über Macks Verschwinden zu wissen.«
»Ich habe vor zehn Jahren mit ihnen gesprochen. Ich werde meine Mitarbeiter prüfen lassen, ob es irgendetwas Ungewöhnliches in ihren Biografien gibt, das für uns von Bedeutung sein könnte. Aber jetzt erzählen Sie mir etwas über Nick DeMarco. Erzählen Sie mir, welchen Eindruck er auf Sie gemacht hat, ob positiv oder negativ, erwähnen Sie ruhig auch die kleinsten Nuancen.«
Ich bemühte mich, objektiv zu sein. »Nick ist jetzt zehn Jahre älter«, sagte ich. »Er ist natürlich reifer geworden. Mit sechzehn war ich in ihn verliebt, daher weiß ich nicht, ob ich mir damals ein
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