Warte, bis du schlaefst
Mack verraten. Ich verspreche dir, dass ich mich um sie kümmern werde, und ich ruf dich wieder an, sobald sie dort untergebracht ist.«
Mir blieb nichts anderes übrig, als einzuwilligen. Nichts könnte für Mack schlimmer sein, als wenn Mom der Polizei aufs Neue erklärte, ihr Sohn sei geisteskrank. Nachdem ich aufgelegt hatte, ging ich in mein Schlafzimmer, holte Macks Tonband hervor und spielte es ab, während ich den Zettel betrachtete, auf den er die zehn Wörter gedruckt hatte, die er an Onkel Devon geschrieben hatte. »ONKEL DEVON, SAG CAROLYN, SIE SOLL NICHT NACH MIR SUCHEN.« Ich lauschte auf seine Stimme: »Wenn ich, zerfallen mit Geschick und Welt, als Ausgestoßner weinend mich beklage, umsonst mein Flehn zum tauben Himmel gellt.«
Ich versuchte mir vorzustellen, wie Barrott nach Moms Auftritt reagieren würde, wenn er diesen Zettel und dieses Band in die Hände bekommen sollte. In diesem Moment rief der Pförtner an, um mir mitzuteilen, dass Detective Gaylor auf dem Weg nach oben sei. »Es tut mir leid, Miss Carolyn, aber er hat mir keine Zeit gelassen, ihn vorher anzukündigen. Er zeigte mir einen Beschlagnahmebeschluss, den er Ihnen überreichen will.«
Noch bevor die Klingel ertönte, rief ich hastig Thurston Carver, unseren Anwalt, auf seinem Handy an. Wie bereits bei unserem Gespräch in seiner Kanzlei, bestätigte er mir, dass ich die Herausgabe der in dem Beschluss genannten Gegenstände nicht verweigern könne.
Als ich Detective Gaylor die Tür öffnete, überreichte er mir den Beschlagnahmebeschluss. Sein Auftreten war sachlich und unpersönlich. In dem Dokument wurde die Herausgabe des Zettels, den Mack in die Kollekte geschmuggelt hatte, und der Tonbandkassette, die ich in dem Koffer gefunden hatte, gefordert. Zitternd vor Wut holte ich die beiden Gegenstände und hätte sie ihm beinahe vor die
Füße geworfen. Wenigstens war ich so klug gewesen, von beiden eine Kopie anzufertigen.
Nachdem er sich verabschiedet hatte, ließ ich mich in den erstbesten Sessel fallen. Wieder und wieder ging mir der von Mack rezitierte Vers durch den Kopf: »Als Ausgestoßner weinend mich beklage …«
Schließlich stand ich auf, ging in mein Schlafzimmer und leerte die Reisetasche, die ich bereits gepackt hatte. Mein Plan, nach Martha’s Vineyard zu fahren, musste jetzt erst einmal aufgeschoben werden. Ich war so sehr in meine Überlegungen vertieft, was ich jetzt als Nächstes unternehmen sollte, dass ich zunächst das Klingeln meines Handys gar nicht wahrnahm. Ich holte es schnell aus der Tasche und meldete mich. Der Anrufer war Nick, der schon drauf und dran gewesen war, eine Nachricht zu hinterlassen. »Ich bin da«, sagte ich.
»Das ist gut. Es wäre sonst eine ziemlich verwickelte Nachricht geworden«, sagte er knapp. »Carolyn, ich muss dir mitteilen, dass ich ab jetzt offiziell als Verdächtiger im Fall Leesey Andrews gelte. In den Zeitungen stand zu lesen, dass die Polizei ebenso die Hypothese verfolgt, wonach Mack irgendwo da draußen herumläuft und reihenweise Leute umbringt. Als ich dann am Donnerstag im Büro der Staatsanwaltschaft war, haben sie sogar unterstellt, dass du und ich uns zusammengetan hätten, um Mack zu schützen.«
Er ließ mir keine Gelegenheit zu antworten und fuhr fort: »Ich fliege heute Vormittag zum zweiten Mal in dieser Woche nach Florida. Mein Vater war im Krankenhaus. Er hatte einen leichten Herzanfall. Ich will morgen wieder zurück sein. Falls nichts dazwischenkommt und ich in Florida bleiben muss – hättest du Lust, morgen Abend mit mir zu
essen?« Dann fügte er noch hinzu: »Es war so schön, dich wiederzusehen, Carolyn. Langsam fange ich an zu begreifen, warum ich damals immer so gerne zu euch zum Abendessen gekommen bin und warum es einfach nicht dasselbe war, wenn Macks kleine Schwester nicht dabei war.«
Ich sagte ihm, ich hoffe, sein Vater werde sich rasch erholen, und dass ich sehr gerne morgen Abend mit ihm essen gehen würde. Ich hielt das Handy noch einen Augenblick an mein Ohr, nachdem er die Verbindung unterbrochen hatte. Mir schwirrte der Kopf vor lauter widerstreitenden Gedanken. Zunächst gestand ich mir ein, dass mein Verliebtsein ihm gegenüber nie ganz verschwunden war, dass ich die ganze Woche lang seine Stimme gehört, mich an das Gefühl der Geborgenheit erinnert hatte, das ich empfunden hatte, als ich mit ihm in diesem Restaurant zusammensaß.
Meine zweite Reaktion war, dass ich mich fragte, ob Nick eine Art Katz-und-Maus-Spiel mit
Weitere Kostenlose Bücher