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Warten auf den Monsun

Warten auf den Monsun

Titel: Warten auf den Monsun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Threes Anna
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einpacken. Der Chauffeur fragt gar nicht erst, wohin er nun fahren soll. Vor dem Haus, in dem Sita wohnt, stoppt er. Charlotte springt aus dem Wagen und eilt zu der offenstehenden Haustür.
    »Guck mal, was ich dir mitgebracht habe«, sagt sie zu dem schlafenden Baby, das vor Schreck über die unerwartete Stimme wach wird und zu weinen anfängt.
    Sita nimmt den schluchzenden Parvat auf den Arm und wiegt ihn wieder in den Schlaf.
    »Wie gut du das kannst«, flüstert Charlotte, »ich weiß noch, wie du Donald immer ruhig bekommen hast, der hat viel geweint, weißt du noch, ißt er gut, wie oft wird er jetzt des Nachts wach, schaffst du das auch alles, du brauchst nur ein Wort zu sagen, und ich springe ins Auto und helfe dir, sieh mal, das hier scheint ein sehr gutes Shampoo zu sein, es ist aus Amerika, ich hatte gesehen, daß er Ausschlag hat.« Charlotte beugt sich über das Baby, an dem kein Fleckchen zu sehen ist. »Donald hatte auch Ausschlag, oder nicht, hatte ich das auch, und ist es mit seiner Verdauung jetzt besser, sind die Windeln gut, es waren die weichsten, die ich bekommen konnte, wenn du mehr davon brauchst, sag es nur.«
    Sita geht mit dem Baby auf dem Arm zum Schrank. Der Teddybär sitzt etwas schief auf dem einzigen Stuhl, den das Haus besitzt. Charlotte plappert immer weiter, über Fläschchennahrung, Windelausschlag, Bauchkrämpfe, den Vorteil von Sicherheitsnadeln, Triefnasen, Ohrenschmerzen, das erste Zähnchen, Bäuerchen machen, Husten und die Masern. Sita hat aus einer Schublade ein Blatt Papier genommen, voll mit amtlichen Stempeln und Siegeln, und reicht es Charlotte. Sie mußte Sita schon öfter Briefe von Behörden vorlesen.
    Sie liest laut: »Manali Hospital. Geschlecht: männlich. Zeit: 5 Uhr 35. Datum: 16. Oktober 1967. Vorname: Parvat.« Charlotte hört auf und liest leise weiter. Als sie das Dokument ganz durch hat, blickt sie wieder zu Sita hin, die das Baby still in den Armen wiegt.
    Die Frauen sehen einander nur an. Tausende Worte strömen hin und her, ohne ausgesprochen zu werden. Verzweifelte Worte, erwartungsvolle Worte, betrübte Worte, ermutigende Worte, ratlose Worte, tröstende Worte, sehnsüchtige Worte, liebevolle Worte …
    Charlotte steht auf, tritt zu der Mutter mit ihrem Kind, küßt den kleinen Jungen auf die Stirn und geht zur Tür. »Soll ich von jetzt an nur noch montags kommen?«
    »Ja, Montag ist ein guter Tag.«

1963
Bombay
     
     
     
    Das Haus, in dem Chandan Chandran wohnt, befindet sich am anderen Ende des Viertels. Subhash muß dort manchmal etwas reparieren, aber Madan war in den ganzen acht Jahren, in denen er für den Mann mit dem Pferdeschwanz arbeitet, noch nie bei ihm zu Hause. Er hat von den Männern in der Weberei gehört, daß seine Frau kürzere Haare hat als ihr Mann und daß sie vier Kinder haben, die nie nach oben in die Weberei kommen, aber ihrem Vater manchmal das Mittagessen in seine dunkle Werkstatt unter der Treppe bringen.
    Madan biegt in eine schmale Gasse ein, geht unter einem großen Schild durch, auf dem ein Fotoapparat abgebildet ist, und bleibt vor einer blauen Tür stehen. Herr Chandran hat ihn gebeten, rasch ein Stück Rosenholz zu holen, das er vergessen hat. Madan ist einer der wenigen Mitarbeiter, die in die Bearbeitung von Stoffen und Garnen mit Kräutern und Blüten eingeweiht sind. So hat er gelernt, daß getrocknete Basilikumblüten, in die Säume eines Hemdes eingenäht, dem Träger zu viel größerer Disziplin verhelfen. Und wenn man Baumwolle einen Tag in einer Wanne mit weißen Chrysanthemen einweicht, bekommt der, der sie später trägt, viel mehr Lebensenergie. Rosenblätter stimulieren die Liebe, Rosenwurzel festigt eine bestehende Beziehung, und Rosenholz kann Gefühle befreien, die ganz tief verborgen sind. Die Blüten des Tausendschöns fördern den Gehorsam, und die Anemone unterstützt die Ehrlichkeit.
    Madan zieht an dem Griff der Klingel neben der blauen Tür. Das Geräusch ist viel lauter als erwartet, doch drinnen scheint es niemand zu hören – es vergehen ein paar Minuten, und er steht noch immer vor der verschlossenen Tür. Er zieht zum vierten Mal an dem Griff, nun fester und länger. Der Klöppel schlägt gegen das gehämmerte Metall, und der Schall verbreitet sich in dem unbekannten Haus.
    »Wer ist da?« fragt eine leise Stimme.
    In Panik sieht Madan sich um. Damit hatte er nicht gerechnet. Warum hat der Weber nicht jemand anders geschickt, jemand, der sprechen kann? Soll er in die Hände klatschen

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