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Warten auf den Monsun

Warten auf den Monsun

Titel: Warten auf den Monsun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Threes Anna
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sie das knorrige Rosenholz streichelt, wie sie ihm zulächelt mit ihren Mohnblumenlippen, er sieht ihre Haare aus Ebenholz, ihre Schmetterlingsnase, ihre kristallklaren Augen. Der Druck in seinem Penis ist unhaltbar. Er spürt ihren weichen Körper unter sich. Den schwarz-weiß karierten Sari hat sie nicht mehr an. Ihre Finger helfen ihm bei der Suche. Er stöhnt. Sie ist ganz still. Er keucht. Sie läßt ihn hinein. Er öffnet den Mund und stößt einen verzückten Schrei aus.
     
    Das Mädchen erstarrt, als es den gräßlich klingenden Schrei hört. Alle ihre Poren schließen sich im Bruchteil einer Sekunde. Sie stößt den Jungen von sich weg. »Wer bist du?« ruft sie. »Was bist du? Eine Bestie, ein Ungeheuer!« In Panik schlägt sie auf ihn ein, tritt nach ihm. »Hau ab! Hau ab!«
    Madan weiß nicht, wie ihm geschieht. Die Hose noch auf den Knöcheln, stolpert er hinaus, während sie nicht aufhört, »Hau ab! Hau ab!« zu schreien.
     
    ***
     
    Er steht am Fuß der Treppe. Chandan Chandran sitzt an seinem alten Webstuhl, so wie damals, als Madan das Haus zum ersten Mal betreten hatte. Nichts scheint sich verändert zu haben, nur Madan selbst und die Länge des Pferdeschwanzes, den der Meister noch immer trägt. Madan hat die paar Habseligkeiten, die er über die Jahre hin gesammelt hat, in ein von ihm selbst gewebtes Tuch eingewickelt. Der Mann, der so lange sein Lehrmeister war, fragt ihn nicht, warum er geht. Madan hebt die Hand zum Gruß. Chandan Chandran nickt.
    Madan geht durch den schmalen, langen Flur, in dem noch immer der Geruch von rostigem Eisen und Öl hängt. Er ist fast draußen, als er hört, daß Herr Chandran etwas sagt. Er dreht sich um.
    Der Mann kommt mit einem Zettel hinter ihm her. »Geh dort hin«, sagt er mit seiner tiefen und sanften Stimme. »Ich habe dir seine Adresse aufgeschrieben. Er wird dich in Dienst nehmen, da bin ich mir sicher.«
    Madan nimmt den Zettel, er hat keine Ahnung, was darauf steht.
    »Es ist weit. In Madras«, sagt Chandan Chandran. »Du mußt mit dem Zug fahren.« Er nimmt Geld aus seiner Tasche und will es Madan geben.
    Madan schüttelt den Kopf, zieht den Schein, der noch immer in seiner Tasche steckt, hervor und zeigt ihn seinem Chef, als wolle er sagen, daß er schon selbst für sich sorgen kann.
    Chandan Chandran lächelt. Es ist das erste Mal, daß Madan ihn lächeln sieht. Er hebt noch einmal die Hand und geht.

1963
Circular Express
     
     
     
    Daß das Land, in dem er lebt, so riesengroß ist, hat er nicht gewußt. Madan fährt schon seit zwanzig Stunden in einem Zug, der in fast jedem Ort anhält; jedesmal kämpfen sich Menschen mit Hausrat und Vieh in die Abteile oder wieder heraus. Er ist froh, daß er endlich sitzen kann, und sieht, daß über der vorbeigleitenden Landschaft ein staubiger Dunst liegt.
    Die ersten zehn Stunden mußte er in dem engen Gang stehen. Erst als ein Mann mit einer meckernden Ziege und zwei Körben voller Hühner ausstieg, konnte er sich einen Platz auf der Holzbank in einem Waggon der dritten Klasse erobern. Weil er die ganze Nacht nicht schlafen konnte, versucht er ein wenig zu dösen, aber von dem Moment an, als sich die Sonne zeigt, reden und essen alle Leute um ihn herum. Verlockende Düfte kitzeln seine Nase. Töpfe und Schüsseln werden ausgepackt, die Oberschenkel dienen als Eßtisch, und jemand fängt an zu singen, begleitet von einer kleinen Trommel.
    Madan, der acht Jahre in der Weberei gelebt hat, wo alle wußten, daß er nicht sprechen kann, ist es nicht mehr gewohnt, mit Fremden zu kommunizieren. Als der Mann, der ihm gegenübersitzt, ihn nach seinem Reiseziel fragt, wird er nervös; wie soll er erklären, daß er selbst auch nur weiß, daß er nach Madras muß? Dann fällt ihm der Zettel ein, er zieht ihn aus der Tasche und zeigt ihn dem Mann.
    Der Mann wirft einen Blick auf den Zettel und sagt dann laut und deutlich, daß er nicht lesen kann.
    Ehe Madan es verhindern kann, stürzen sich die Mitreisenden wie ein Knäuel auf den Zettel. Zwar kann die Mehrheit im Abteil nicht lesen, aber neugierig sind sie alle. Madan sieht, wie sein Zettel von einem Mann mit einem Turban und einem Mann mit einem roten Bart in zwei Stücke zerrissen wird. Auch deren Nachbarn sind an dem Zettel interessiert, und schon besteht die Adresse aus vier Teilen. Madan springt auf und versucht die Schnipsel zurückzubekommen, doch sie wandern rasend schnell von Hand zu Hand. Er will rufen, daß sie ihm gehören, daß er sie wiederhaben

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