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Warten auf den Monsun

Warten auf den Monsun

Titel: Warten auf den Monsun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Threes Anna
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Mädchen an, die ihr gegenübersitzen und versuchen, ihrem Blick auszuweichen.
    Draußen ist es eisig kalt. Drinnen füllt sich der Raum mit süßem Kakaoduft.
    Iris sieht den sehnsüchtigen Blick ihrer Freundin und stößt sie an. Sie flüstert: »Möchtest du gern raus?«
    Charlotte nickt verträumt.
    Das Mädchen, das neben Charlotte sitzt, sieht es und nickt auch.
    »Du?« fragt eine Klassenkameradin mit einem Dutt, die neben diesem Mädchen sitzt.
    »Will sie?« fragt die Nachbarin mit dem Pferdeschwanz das Mädchen mit dem Dutt.
    »Nein, ich nicht, aber sie«, sagt das Mädchen neben Charlotte.
    »Frau Direktor, Charlotte will!« ruft das Mädchen mit dem Pferdeschwanz.
    Charlotte hat keine Ahnung, worum es geht und warum alle auf sie zeigen.
    Die Direktorin kommt auf sie zu. »Fein, Charlotte Bridgwater, daß du gehen willst. Lauf mal eben zu meinem Haus und bitte die Haushälterin darum, daß sie dir meine Lesebrille gibt. Ich habe sie auf dem Tisch im Flur liegengelassen.« Sie hält ein Monokel hoch und fährt, an den Rest der Klasse gewandt, fort: »Solange lese ich euch einäugig vor.«
    Die Mädchen lachen.
     
    Sie steht auf der Schwelle der großen, alten Tür und streckt die Hand aus. Schneeflocken fallen auf ihre Handfläche und schmelzen sofort. Sie leckt die kleine Lache auf. Es schmeckt einfach nach Wasser. Wieder streckt sie die Hand aus, jetzt weiter. Auf ihrer Hand schmelzen die Flocken, aber auf dem Ärmel ihres grauen Mantels nicht. Sie atmet die Luft tief ein. Die Laterne beleuchtet den Eingang, doch der Pfad vor der Albert Hall ist nicht mehr zu erkennen.
    Vorsichtig setzt sie ihren Fuß auf den unberührten weißen Schnee. Sie spürt die Pflastersteine unter der weißen Oberfläche. Schritt für Schritt geht sie an der Hecke entlang zum Schulgebäude. Vage nimmt sie die Umrisse wahr. Der Abend kommt ihr heller vor als sonst. Die Flocken, die ihr ins Gesicht wehen, fühlen sich kühl und naß an. Sie streckt die Zunge heraus und versucht sie aufzufangen. Sie fallen ihr in die Augen und bleiben an den Brauen hängen. Sie geht weiter und schaut sich immer wieder um, um zu sehen, was mit ihren Fußspuren passiert. Die Hecke ist zu Ende, sie hat keine Ahnung, ob sie noch über den Pfad geht. Das Haus der Direktorin liegt an der Straße hinter dem Sportplatz. Da sie nun sowieso keinen Weg mehr sieht, beschließt Charlotte, daß sie genausogut die Abkürzung über den Hügel nehmen kann, am Park vorbei bis zu den Tennisplätzen. Ihr fällt auf, wie still es ist. Kein Mensch ist draußen, und das einzige Geräusch, das sie hört, ist das Knirschen des Schnees unter ihren Füßen.
    Sie erklimmt den Hügel. Bei jedem Schritt rutscht sie aus. Daß es so glatt ist, hatte sie nicht erwartet. Sie muß die Hände zu Hilfe nehmen, um weiterzuklettern. Der Schnee ist kalt, aber ohne ihre Hände schafft sie den Weg nach oben nicht.
    Auf der Hügelkuppe bläst ein schneidender Wind, und die Flocken schlagen ihr ins Gesicht. Ihre Hände und Füße sind eiskalt. Charlotte fällt die Geschichte von ihrer Großmutter ein, deren Füße in einem Schneesturm erfroren waren und die starb, ohne daß jemand weinte. Würden die Mädchen in ihrer Klasse weinen, wenn sie sie tot im Schnee fänden? Iris würde weinen, hofft sie, bei den anderen ist sie sich nicht sicher – falls sie sie überhaupt finden, denn sie sieht, daß der Schnee alles bedeckt. Sie hätte jetzt gern die große Uhr bei sich, so wie ihre Großmutter, dann würde sie hineinkriechen, um sich vor dem Schnee zu schützen.
    Charlotte läuft den Hügel hinab, sie stürzt, sie rutscht, sie rappelt sich hoch, sie stolpert weiter, sie steckt die Hände in die Taschen und nimmt sie wieder heraus, um sich noch mal hochzurappeln, sie sieht nichts. Die Welt um sie herum ist weiß und schwarz zugleich. Die anderen Mädchen trinken jetzt Kakao und hören sich die Geschichte von Maria und Josef im Stall an. Charlotte hat keine Ahnung mehr, wo sie ist. Ob sie nach links oder nach rechts muß, vor oder zurück. Am liebsten würde sie sich ein Plätzchen suchen und nicht weitergehen, aber der Gedanke an die schwarzgefrorenen Füße, an denen ihre Großmutter gestorben ist, treibt sie weiter. Sie versucht, sich zu orientieren, doch der Schnee beißt in den Augen.
    Sie stößt gegen irgend etwas. Ein Baum, ein Pfahl, eine Mauer. Es ist ein Baum, dann muß sie jetzt am Park sein. Sie muß darauf achten, daß sie nicht in den Park hineingeht, sondern dem Pfad folgt, der

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