Warum Burnout nicht vom Job kommt. - die wahren Ursachen der Volkskrankheit Nr. 1
eine weitere Aufgabe, die in ihren Verantwortungsbereich fiel.
Kurz gesagt: Die Frau ging mittlerweile am Stock. Also gab ich ihr den typischen Standardrat, bevor Schlimmeres passierte: Ich legte ihr sehr deutlich ans Herz, sie müsse endlich eine längere Auszeit planen. Ein Urlaub nicht unter vier Wochen sei unabdingbar, wenn sie ernsthafte gesundheitliche Einschränkungen vermeiden wollte.
Automatisch präsentierte sie mir ihre Liste von Gegenargumenten: „Was machen denn dann die Kollegen? Wie soll die Abteilung denn dann weiterlaufen?“
Doch ich fragte sie, was sie denn glauben würde: Wenn sie von heute auf morgen schwer krank würde, müsste die Firma doch auch ohne sie zurechtkommen. Die Auseinandersetzung mit diesem Ansatz fiel ihr sehr schwer. Sie identifizierte sich so sehr mit ihrem Job! Die Arbeit war ihr Leben. Sie arbeitete gern, und die Aufgaben machten ihr Spaß, Stress hin oder her.
Von außen betrachtet kommen bei dieser Frau die klassischen Erklärungsmodelle eindrucksvoll zum Zuge: Der Druck von außen wird zu groß, der Job lässt sie ausbrennen. Der logische Lösungsansatz: mehr Freizeit, dann ist die schlimmste Gefahr gebannt.
Ich erteilte ihr diesen Ratschlag, jedoch nur halbherzig. Ja, es ist Lehrmeinung. Aber stimmt das überhaupt? Müssen Burnout-Kandidaten nur von der Notwendigkeit einer Pause überzeugt werden, dann ist der halbe Weg schon geschafft?
Ich überlegte gemeinsam mit der erschöpften Abteilungsleiterin, was ihr in einem Urlaub Spaß machen könnte – vielleicht sogar so großen Spaß, dass sie darüber die E-Mails an die Firma vergessen könnte. Doch die Persönlichkeitsstruktur dieser Burnout-gefährdeten Menschen ist tückisch: Sie nehmen sich vielleicht wirklich einen längeren Urlaub vor, aber dann packen sie die „freie“ Zeit so voll, dass letztendlich nur eine Verlagerung des Problems von der Arbeitszeit in die Freizeit stattfindet, keinesfalls jedoch eine Lösung.
Von ihrer Idee, dass sie, wenn sie schon nach Ägypten fahren würde, neben Pyramiden und Meer in Kairo unbedingt auch spannende Kulturangebote wahrnehmen müsse, konnte ich sie zum Glück abbringen ... Wir erarbeiteten folgende Urlaubslösung: zuerst eine Nil-Kreuzfahrt, dann Aufenthalt in einem Wellness-Hotel am Roten Meer, wo sie am hauseigenen Riff schnorcheln konnte oder auch nicht, ganz wie es ihr gerade gefiel, und wo auch jede Menge anderer Aktivitäten möglich waren. Auf diese Weise hatte sie jede Menge zu tun, und sie lief nicht Gefahr, nur „rumzuhängen“, während die Kollegen daheim alle Hände voll zu tun hatten. Die Vorstellung, zahlreiche sinnliche Wahrnehmungen und Neueindrücke zu bekommen und auch außerhalb der Firma sinnvoll tätig zu sein, entlastete sie endlich. Was sie offenbar brauchte, war eine Form der Entspannung, die viel mehr umfasst als nur den erschöpften Körper.
Ja, Burnout-gefährdete Menschen sind tatsächlich Opfer. Aber sie sind keine Opfer des bösen Chefs, der bösen Kollegen, der bösen Kunden oder des bösen Kapitalismus. Sie tun es selbst und freiwillig – sie werden nicht geopfert, sie opfern sich selbst. Die Frage ist: Warum? Die Antwort liegt im Inneren der Menschen, nicht im Äußeren des Jobs.
Was Werte damit zu tun haben
Ein engagierter und resoluter 45-jähriger Mann arbeitete für eine Stiftung, in der diverse NGO-Projekte in Südamerika betreut werden, beispielsweise um den Bau eines Wasserstaudamms zu verhindern. Der Mann war rund um die Uhr in Gedanken bei seinen Projekten. Er lebte seinen Job, sein Job war sein Leben. Bis er eines Tages zusammenbrach.
In der nachfolgenden Auseinandersetzung mit der eigenen Persönlichkeit und den Verhaltensmustern, die ihn an seine Grenze und darüber hinaus hatten gehen lassen, wurde ihm klar: „Ich habe jede innere Distanz zur Arbeit verloren. Ich identifiziere mich so stark damit, dass ich gar keine Distanz mehr herstellen kann .“
Auf die Frage, ob er glaube, dass die Menschen in Südamerika, für die er sich stark macht, auch Burnout-Symptome kennen, schüttelte er verwundert den Kopf. Nein, diese Menschen suchten keinen Sinn, wenn sie auf Arbeitssuche waren, sondern einen Broterwerb. Sie nahmen den Job an, der sich ihnen bot – und wenn sie Feierabend hatten, verloren sie keinen Gedanken mehr an die Arbeit. Sie arbeiteten hart und der Job bedeutete vielleicht ihr Überleben – aber nicht ihr Leben.
Menschen, die von einem Burnout betroffen sind, fehlt ein Ausschalter für die Gedanken ans
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