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Warum Burnout nicht vom Job kommt. - die wahren Ursachen der Volkskrankheit Nr. 1

Warum Burnout nicht vom Job kommt. - die wahren Ursachen der Volkskrankheit Nr. 1

Titel: Warum Burnout nicht vom Job kommt. - die wahren Ursachen der Volkskrankheit Nr. 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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ähneln.
    Natürlich sind die Menschen alle verschieden, auch die Teilnehmer meiner Seminare. Sie haben ganz unterschiedliche Biografien und agieren in ganz unterschiedlichen Lebenssituationen. Aber in der Tat gab es da einige Persönlichkeitsmerkmale, die sich immer wieder zeigten. Das ist übrigens auch ein Grund, warum die Gruppen so gut funktionieren. Die Teilnehmer verstehen sich gut, weil sie sich ähnlich sind. Und da es sich um Menschen mit hohen Werten und differenzierten Ansichten handelt, können sie bei anderen Menschen trotz unterschiedlicher Berufe und familiärer Situationen und völlig losgelöst von Bildung und biografischem Hintergrund Muster erkennen, die sie bei sich selbst nie entdeckt hätten.
    Egal, ob die Ausbrennenden Mütter, Frauen ohne Kinder oder Männer sind: Sie alle sind sich in ihrer Persönlichkeit erstens sehr ähnlich und können zweitens Denk- und Verhaltensmuster bei den anderen leichter erkennen als bei sich selbst. Und da sie die Werte der anderen sehr schätzen, vollzieht sich die Erkenntnis sehr einfach und schnell.
    Doch was genau ist das, was bei allen gleich ist? Ich war von Anfang an bei den Seminaren offen und neugierig. Ich wollte sammeln und schauen. Was kommt mir vertraut vor, wenn Menschen erzählen? Nach und nach entwickelte sich eine Art Profil, das ich auf diese Weise selbst erarbeitet habe, ohne mich von Fachliteratur beeinflussen zu lassen. Bei Fachbüchern ist es letztlich wie beim Spinat, dessen legendär hohe Eisenwerte auch ein Ernährungsautor vom anderen abgeschrieben hatte. Ich wollte meinen Blick lieber unverstellt lassen und mir erst im Lauf der Entwicklung ein eigenes Bild machen. So konnte ich beispielsweise feststellen: Egal, ob ein Teilnehmer vom Kuchenbacken erzählte oder von seinem Engagement im Tennisverein: Ausbrenner arbeiten gern. Sie fühlen sich wohl, wenn sie gefordert sind.
    Sehr berührt hat mich die Geschichte einer 48-jährigen Frau, die in einer Behinderteneinrichtung arbeitet. Sie hatte sich für diesen Beruf ganz bewusst entschieden, weil sie hier ihre Werte in hohem Maße erfüllt sah: Ihr lag Menschlichkeit am Herzen, ein liebevolles Miteinander und eine rücksichtsvolle Fürsorge. Die eher unangemessene Bezahlung ihrer zum Teil auch körperlich schweren Tätigkeit hat für sie nie eine Rolle gespielt – sie sah sich in ihrem Tun selbst reich entlohnt. Wenn die Heimbewohner tagelang voller Vorfreude auf einen Zoobesuch ganz aufgeregt waren, wenn sie einem Bandscheibenpatienten die schlimmste Angst nehmen konnte, indem sie ihn zur Therapie begleitete, wenn sie mit einer unglücklich verliebten jungen Frau einen langen Spaziergang machen konnte, an dessen Ende die Tränen versiegt waren – dann schaute sie nicht auf die Überstunden, sondern war einfach glücklich. Sie hatte sich einen Arbeitsplatz gesucht, an dem sie ihre Werte leben konnte.
    Doch eine Behinderteneinrichtung kann sich nicht von den wirtschaftlichen Realitäten abkoppeln. Eine solche Einrichtung ist nichts anderes als ein Unternehmen, das Rechnungen und Gehälter von seinen Einnahmen bezahlen muss. Es gibt einen Markt für diese Form von Dienstleistungen, daher muss die Einrichtung konkurrenzfähig sein und die Kosten im Griff behalten. Im Effekt bedeutet das heute, und zwar nicht nur in diesem Haus, sondern überall: Immer weniger Mitarbeiter betreuen immer mehr Menschen, der Betreuungsschlüssel verschlechtert sich stetig, und es gibt immer weniger Spielräume. Die Personaldecke wird immer dünner, Vertretungen werden immer seltener möglich. Supervisionen werden seltener oder entfallen ganz, die Qualität der Arbeit sinkt. Es werden weniger Fortbildungen angeboten, jedoch mehr Menschen im Heim aufgenommen. Und der Zoobesuch oder der Einzelspaziergang ist schon längst gestrichen.
    All die Dinge, die diese Art von Sinn verleihen – wie das Strahlen der Menschen, die Momente mit Zeit und Ruhe –, das alles fällt weg. Da reduziert sich der Gegenwert der erbrachten Leistung irgendwann nur noch auf den finanziellen Aspekt. Und weil die Arbeit schlicht unverschämt schlecht bezahlt wird, entsteht ein großes, tiefes Motivationsloch. Und trotzdem arbeitet die Frau weiter. Sie sieht sich gezwungen, Werte zu akzeptieren, die ihr Wertesystem eigentlich ausschließt.
    Ein weiteres Profilmerkmal war also: Burnout-Kandidaten haben hohe Wertvorstellungen. Sie stehen für Pünktlichkeit, Leistungsbewusstsein, Ehrgeiz, Pflichtbewusstsein, Korrektheit, Engagement,

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