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Warum Burnout nicht vom Job kommt. - die wahren Ursachen der Volkskrankheit Nr. 1

Warum Burnout nicht vom Job kommt. - die wahren Ursachen der Volkskrankheit Nr. 1

Titel: Warum Burnout nicht vom Job kommt. - die wahren Ursachen der Volkskrankheit Nr. 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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– und diese Frauen erkrankten nicht an der Neurasthenie.
    Ob „Wandervögel“ oder „Grüne Damen“ – all die neuen Einrichtungen sorgten dafür, dass Frauen mehr Bewegungsraum hatten. Sie wanderten zusammen, unternahmen Ausflüge, organisierten gesellschaftliche Zusammenkünfte selbst. Das galt durchaus als ungehörig: In Gruppen auf langen Strecken unterwegs und aktiv zu sein – und ohne Mann –, den Weg zur Natur zurück zu suchen, den häuslichen Herd verlassend. Meine Großmutter war zeitweise nicht im Haus, weil sie mit den „Wandervögeln“ unterwegs war. Sie ging wandern und die Dienstmädchen machten den Haushalt. Für Frauen – besonders unverheiratete – war es völlig undenkbar, über Nacht wegzubleiben, aber im Kreis der Wanderfrauen war vieles möglich. Diese Wanderströmung hatte enormes Potenzial, so vieles war in Bewegung und brach auf. Die Frau des Hauses organisierte noch die Tafel für eine Wohltätigkeitsgala zugunsten des Waisenhauses – freute sich aber insgesamt schon auf die Wanderung am nächsten Tag mit ihren Freundinnen inklusive einer Übernachtung außer Haus. Sie organisierte sich nun selbst, ohne den Mann und Bestimmer zu fragen. Der Hausherr bekam vom Personal sein Essen serviert, weil seine Gattin auf Tour war.
    Wo blieb da der Mann, wenn die Frau sich in die Welt hinausbewegte? Er merkte, dass seine Frau sich Dinge gesucht hatte, aus denen sie Kraft und Anerkennung zog. So bildete sie sich auch eine eigene Meinung über die Welt – die sie ihm fortan selbstbewusst entgegenhielt. Er konnte sich auf Altbekanntes nicht mehr verlassen oder zurückziehen.
    Das Revolutionäre waren aber nicht die gemeinsamen Wanderungen von Frauen, sondern die Veränderungen beziehungsweise Forderungen, die hinter dieser Bewegung standen. „Zurück zur Natur“ bedeutete vor allem: weg vom Herd. Die Frauen bewegten sich wieder hinaus in die Welt. Sie redeten mit und zeigten sich dem Mann gegenüber gleichwertig. Die Forderungen wurden lauter und konkreter; die Frauenemanzipationsbewegung schritt voran. Dem Wahlrecht für Frauen folgten Politikerinnen und Aktivistinnen. Bürgerliche Frauen traten plötzlich öffentlich auf und gingen ins öffentliche Leben.
    Die Frauen entdeckten, dass sie mehr Ressourcen und Möglichkeiten hatten. Was vorher nicht denkbar war, durften sie plötzlich denken. Plötzlich merkten Frauen, dass sie noch viel mehr Potenzial hatten, als bislang zugelassen. Dieses Potenzial wollten sie dann auch nutzen – doch unter den gegebenen Umständen konnte es sich gar nicht entfalten. Als würde ihr inneres Feuer, ihre Lust etwas zu bewegen, gedeckelt. Ein Trend wie die Wandervogel-Bewegung war eine Art Ventil für die Gezügelten: Die bürgerlichen Frauen kamen heraus aus ihrem Trott und erweiterten ihren Horizont.
    Durch die Industrialisierung hatte sich die herkömmliche Arbeitsteilung in Frauen- und Männerarbeit aufzulösen begonnen. Frauen und Kinder konnten in der Weberei nun ebenso gut arbeiten wie die Männer. Die Frauen konnten – und mussten! – also nun auch jenseits des Haushalts und jenseits der Landwirtschaft arbeiten. Diese gesellschaftliche Veränderung erreichte auch die bürgerlich gebildeten Frauen, die nicht arbeiten mussten. Mit weitreichenden Auswirkungen.
    Die Rollen von Mann und Frau gerieten ins Wanken: Die Frauen erkämpften sich ihr Wahlrecht. Ein neues Selbstbewusstsein bis hin zu Modefragen setzte sich durch: Die Frauen trugen Hosen und fuhren Fahrrad. Den Damensattel ließen sie links liegen; sie schwangen wie die Männer ihr Bein über den Pferderücken und hielten fortan mit den Männern mit.
    Die Frauen konnten nun auch Männertätigkeiten ausüben, weil es bei der Arbeit nicht mehr um reine Körperkraft ging, sondern weil mit Maschinen, Hebeln und ähnlichen Hilfsmitteln jeder Arbeiter alles machen konnte. Die Arbeiterinnen drangen in die Männerwelt vor. Das brachte auch die intellektuellen Frauen aus den höheren Schichten zum Nachdenken. Auch sie stellten nun die eigene ihnen zugewiesene Rolle mehr und mehr infrage. Es entwickelten sich Literaturkreise, die Frauen mischten sich in die Politik ein, sie nahmen am öffentlichen Leben teil und stellten Forderungen. All das passierte nahezu zeitgleich mit der Industrialisierung: Die Frauen wurden in der breiten Masse öffentlich. Die Verschiebung der Geschlechterrollen begann – und betraf jeden.
    Frauen hatten nunmehr viel breitere Möglichkeiten, die auch immer deutlicher zu

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