Warum das Leben schneller vergeht, wenn man älter wird-Von den Rätseln unserer Erinnerung
Le-liensalter in Form mechanischer Puppen, das Kind am Morgen, das Alter am Abend. Eine Vierereinteilung konnte das Leben mit dem Wechsel der Jahreszeiten verknüpfen, eine Vorstellung, bei der die Geburtstage der Jugend als Lenze und die des Alters in
Wintern gezählt werden. Das Bild der Jahreszeiten kam schon bei Pythagoras und Horaz vor.
Uber die Motive der Wagners, sich selbst jedes Jahr zu fotografieren, ist nichts bekannt. Vielleicht hielten sie es im Jahre 1900 für eine nette Idee und fanden das 1901 und in den Folgejahren noch immer. Es ist auch nicht bekannt, wie sie selbst die Fotos betrachteten, als sich so allmählich eine Serie herausbildete. Haben sie die Fotos später noch ab und zu in den Stereogucker geschoben und gesehen, wie sie selbst älter wurden, die wenigen Veränderungen ihrer Einrichtung, die fast jährlich wiederkehrenden neuen Handschuhe? Es ist nicht wahrscheinlich, daß sie 1900 beabsichtigten, so etwas wie ein fotografisches Gedächtnis ihres eigenen Lebens anzulegen, auch wenn es das letztendlich doch geworden ist. Es ist ein Gedächtnis, das sehr wohl die früheren Editionen aufbewahrt und die trügerisch langsamen Veränderungen behält, die niemand bei sich selbst oder anderen bemerken kann. Für den heutigen Betrachter, der durch die vollendete Serie blättern kann und in vielleicht einer Stunde 45 Jahre vorbeiziehen sieht, ist dieses fotographische Gedächtnis ein unbeabsichtigtes Kunstwerk geworden. Es zeigt etwas von dem, was frühere Generationen in Pilgerfahrten, Lebenstreppen und Jahreszeiten ausgedrückt haben, eindringlicher noch, weil wir auf den Fotos keinen Jedermann sehen, sondern Menschen wie uns selbst.
Literatur
Die Fotoserie des Ehepaars Wagner befindet sich in der Sammlung des Heimatmuseums Charlottenburg, Berlin. Die vollständige Serie wurde veröffentlicht in:
B. Jochens (Hrsg.), Deutsche Weihnacht. Ein Familienalbum 1900-1945, Berlin 1996. Aus dieser Ausgabe stammen auch die Lebensdaten über die Wagners.
Wir fahren in ovalen Spiegeln herum: über Deja-vu-Erlebnisse
»Wir fahren in ovalen Spiegeln herum;
Erkennen an uns selbst den Hintergrund Und wissen, daß das einmal auch bestand.«
(Gerrit Achterberg, »Dejä-vu«, 1952)
David Copperfield ist die Geschichte zweier Lieben. Als der junge David in Canterbury zur Schule geht, wird er im Haus von Rechtsanwalt Wickfield, der das Landgut eines reichen Herrn verwaltet, gastfreundlich aufgenommen. Dort trifft er Wickfields Tochter Agnes. Sie ist ungefähr so alt wie David. Er ist sofort von ihrem lieben Gesicht und ihrer ruhigen Art verzaubert. Im stillen bewundert er den Takt, mit dem Agnes ihren Vater behandelt, der seit dem Tod seiner Frau mehr trinkt, als für ihn gut ist. Leider kann sie nicht verhindern, daß Wickfields Kanzlei durch seine Trunksucht allmählich verkommt und der durchtriebene Notariatsgehilfe Uriah Heep ihren Vater schließlich zwingt, ihn zum Kompagnon zu machen. Als David seine Ausbildung in London fortsetzt, fragt er Agnes noch häufig um Rat und wärmt sich an ihrer Weisheit und Zuneigung.
In London macht David ein Praktikum in Spenlows Rechtsanwaltskanzlei. Während eines Abendessens wird er dessen Tochter Dora vorgestellt. >Coup de foudrec Von einem Moment auf den anderen verliert er sein Herz und auch ein bißchen den Verstand. Dora ist in vielerlei Hinsicht das Gegenteil von Agnes. Sie ist eine Kindfrau, fröhlich und flatterhaft wie ein Schmetterling, aber auch launisch, und sie verliert schnell die Fassung. Gegen den Rat seiner Großtante heiratet er Dora. Die Ehe ist anfangs idyllisch, aber allmählich stellt sich heraus, daß David wenig Rückhalt bei ihr finden kann. Er verliert sie, als sie eine Totgeburt hat und im Wochenbett stirbt. Der junge Witwer geht für drei Jahre ins Ausland.
Nach seiner Rückkehr besucht er Agnes. Seine Großtante hatte ihn im Glauben gelassen, Agnes sei inzwischen verlobt, aber dem ist offensichtlich nicht so. David wird klar, daß er während all dieser Jahre nie aufgehört hat, sie zu lieben. In einem offenen Gespräch, bei dem beide weinen, erklären sie einander ihre Liebe. Keine 14 Tage später sind sie verheiratet.
Wie elektrisierend Davids Gefühle für Agnes waren, hat Dik-kens deutlich gemacht, indem er ihn zweimal eine flüchtige Erfahrung hat erleben lassen, die die meisten Leute nur ein paarmal im Leben mitmachen. Beim ersten Mal geschieht es in Rechtsanwalt Wickfields Kanzlei. David ist einen Augenblick mit dem schlüpfrigen
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