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Warum die Deutschen? Warum die Juden?: Gleichheit, Neid und Rassenhass - 1800 bis 1933 (German Edition)

Warum die Deutschen? Warum die Juden?: Gleichheit, Neid und Rassenhass - 1800 bis 1933 (German Edition)

Titel: Warum die Deutschen? Warum die Juden?: Gleichheit, Neid und Rassenhass - 1800 bis 1933 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Götz Aly
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Hitlers Propaganda wirksam. Sie richtete sich gegen ausländische Mächte, die Deutschland versklavten, und gegen das exorbitante Zinsen verlangende »raffende jüdische« Finanzkapital, das die NSDAP vom »produktiven«, weitgehend arischen Industriekapital sorgfältig unterschied. Außerdem zählten in Deutschland viele zu den Verlierern und Rationalisierungsopfern der Boomjahre von 1924 bis 1928. Vor allen anderen litten die Landwirte unter den hohen Zinsen. Bauern müssen seit jeher das Saatgut, den Dünger, die Arbeitsmittel und die Arbeitskräfte vorfinanzieren, bis sie die gute oder – wetterbedingt – schlechte Ernte unter gleichfalls wechselhaften Marktbedingungen mehr oder weniger günstig verkauft haben. Da die Agrarproduktion von der Hochkonjunktur Mitte der 1920er-Jahre nicht profitierte, sondern dem Preisverfall auf dem internationalen Getreidemarkt weiterhin ausgesetzt blieb, führten die hohen Zinssätze zu massiver Überschuldung. Fast alle deutschen Bauern gerieten in »einen zusehends aussichtsloser werdenden Existenzkampf«. So formulierte es der Ökonom Wilhelm Röpke in seiner Analyse »Der Weg des Unheils«, auf die ich die folgenden Absätze stütze.
    Röpke fasste die wirtschaftliche Lage Deutschlands Ende 1931 in das Bild eines infolge von kriegsbedingter Kapitalarmut, von Reparationsballast, Inflation und ausländischem Kapitalzufluss überladenen, antriebsschwachen und daher wenig seetüchtigen Schiffes: »Mit diesen schweren Lasten bepackt, konnte das Schiff endlich schwerfällig und schwankend segeln, aber lange sollte selbst diese Fahrt nicht währen. Schon im Jahre 1928 fing es mit kleinen Havarien an, im Jahre 1929 erhob sich der Sturm der Weltkrise, im Jahre 1930 und in der ersten Hälfte des Jahres 1931 kämpfte das überlastete und leck gewordene Schiff auf den Wogen der Weltkrise einen verzweifelten Kampf. Im Herbst des Jahres 1930 kam zu allem Unglück noch hinzu, dass ein Teil der Mannschaft rabiat wurde (gemeint sind die Reichstagswahlen vom 14. September 1930) und nun einen immer heftiger werdenden Disput zwischen der Schiffsleitung und dem weiterhin zu ihr haltenden Teil der Mannschaft auf der einen Seite und den Rebellen auf der anderen Seite entfesselte. Im Sommer 1931 lief das Schiff auf den Strand, Rettung oder Untergang erwartend.«
    Trotz der im internationalen Vergleich exorbitanten Zinsen floss seit 1930 kein ausländisches Kapital mehr ins Land; die überwiegend kurzfristigen Kredite und dann folgend auch bewegliche inländische Kapitalien wurden abgezogen. Deutsche Anleihen stürzten an der New Yorker Börse von 90 auf 30 Prozent ihres Emissionskurses. Das internationale Vertrauen in die wirtschaftliche und politische Zukunft der ersten deutschen Republik brach zusammen. Einen Höhepunkt erreichte der Kapitalabfluss unmittelbar nach der Reichstagswahl vom 14. September 1930. Fast 50 Prozent der Wähler hatten ihre Stimme entweder der NSDAP, der KPD oder der weit rechts stehenden Deutschnationalen Volkspartei gegeben, also den politischen Kräften, die vor allem eines befürworteten: das Ende der Republik. Die nun zusätzlich politisch bedingte Kapitalflucht verfestigte die Krise. Die Steuereinnahmen gingen dramatisch zurück. Der Staat war gezwungen, die rund sechs Millionen Arbeitslosen und deren – im Vergleich zu heute – große Familien notdürftig zu versorgen. Deutschland drohte die Zahlungsunfähigkeit. Stadtkämmerer und Finanzminister mussten teure Kredite aufnehmen. Zugleich wurden »die Ausgaben rücksichtslos herabgesetzt und die Steuerschrauben ebenso rücksichtslos weiter angezogen«.
    In der akuten Notlage empfand jeder Deutsche die nicht enden wollenden Bürden des Versailler Vertrags erst recht als himmelschreiendes Unrecht. »Jahr für Jahr«, so Röpke, »generationenlang, eine Summe zahlen, die dem Mehrfachen des Aktienkapitals sämtlicher deutschen Großbanken entspricht, Jahr für Jahr eine Summe zahlen, mit der sich das Problem menschenwürdiger Wohnungen für die Armen der Großstädte mit einem Schlage lösen ließe, und das auf einer Grundlage, auf der man Jahr für Jahr bestätigt, dass man ein Schurke ist – es ist unmöglich.« Diese Gefühle führten zu fortschreitender Erbitterung der Leute und zur Unregierbarkeit des Landes. Die Notverordnungen, mit denen die letzten Regierungen der Republik das Land zwischen 1930 und Ende 1932 über Wasser zu halten versuchten, empfanden die Deutschen als Diktatur, »deren einzige raison

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