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Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris (German Edition)

Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris (German Edition)

Titel: Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Druckerman
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weniger auf den Tresen gelegt.« Ich bekomme regelrecht Mitleid mit dem armen Angestellten dahinter.
    In unserem Eifer können wir einfach nicht verstehen, warum französische Mütter kaum stillen. Etwa 63 Prozent der französischen Mütter stillen nur ganz kurz. 31 Etwas mehr als die Hälfte stillt noch, wenn sie das Krankenhaus verlässt, aber die meisten stellen es bald darauf vollkommen ein. Längeres Stillen ist extrem selten.
    Unter angloamerikanischen Müttern kursieren folgende Theorien, warum Französinnen nicht stillen: Sie haben keine Lust dazu, ihr Busen ist ihnen wichtiger als ihr Kind (Dabei leiert nachweislich die Schwangerschaft und nicht das Stillen die Brüste aus.), oder sie wissen einfach nicht, wie wichtig das Stillen für das Baby ist.
    Franzosen erzählen mir, dass in ihren Augen Stillen immer noch bäurisch wirkt. Das komme aus der Zeit, als man Säuglinge zu Ammen aufs Land gab. Olivier, der mit meiner Journalistenfreundin Christine verheiratet ist, behauptet, das Stillen entzaubere außerdem die weibliche Brust und mache sie zu etwas rein Praktischem, Animalischem. So wie französische Väter es tunlichst vermeiden, bei der Geburt dorthin zu schauen, wo die Action ist, vermeiden sie es auch, die weibliche Brust zu betrachten, wenn das keinen sexuellen Hintergrund hat.
    Als meine britische Freundin Alison, die in Paris Englisch unterrichtet, ihrem Arzt sagt, dass sie ihr dreizehn Monate altes Kind immer noch stillt, soll er gefragt haben: »Was sagt denn Ihr Mann dazu? Und Ihr Psychotherapeut?« Enfant Magazine , eine der führenden französischen Hochglanzzeitschriften zum Thema, schreibt: »Stillt man länger als drei Monate, wird das in der Regel als befremdlich empfunden.«
    Alexandra, eine Mutter zweier Mädchen, die in der crêche arbeitet, sagt, sie habe ihren Töchtern keinen einzigen Tropfen Muttermilch gegeben. Und das ohne jedes schlechte Gewissen. Sie sei begeistert gewesen, dass ihr Partner, ein Feuerwehrmann, angeboten habe, sich mit um die Babys zu kümmern. So habe er ihnen von Anfang an das Fläschchen geben können. Alexandra weist darauf hin, dass beide Mädchen vollkommen gesund sind.
    Sie fügt noch hinzu: »Es war eine gute Übung für den Vater, ihnen nachts die Flasche zu geben. Und ich konnte schlafen und im Restaurant Wein trinken. Für maman war das alles andere als schlecht.«
    Laut Pierre Bitoun, einem französischen Kinderarzt und Stillbefürworter, glauben viele Französinnen, nicht genug Milch zu haben. Dr. Bitoun zufolge liegt das auch daran, dass die Mütter nicht schon im Krankenhaus ermutigt werden, alle paar Stunden zu stillen. Doch darauf kommt es in den ersten Tagen an, wenn die Mütter genügend Milch für ihre Kinder produzieren sollen. Stillen sie nicht von Anfang an regelmäßig, haben sie tatsächlich nicht genug Milch, und der Rückgriff auf Säuglingsnahrung scheint unausweichlich zu sein. »Am dritten Tag hat das Kind zweihundert Gramm abgenommen, und es heißt: ›Oh, Sie haben nicht genügend Milch, also geben wir ihm Säuglingsnahrung, das Kind verhungert ja!‹ Das ist doch absurd.«
    Dr. Bitoun hält viele Vorträge in Krankenhäusern, um die Vorteile des Stillens zu erläutern. Aber die Kultur sei stärker als alle Wissenschaft: »Drei Viertel aller Leute, mit denen ich im Krankenhaus zu tun habe, glauben nicht, dass Muttermilch gesünder ist als Säuglingsnahrung. Sie denken, es gäbe keinen Unterschied und halten Säuglingsnahrung für qualitativ hochwertig. Das wird den Müttern zumindest eingeredet, damit sie sich nicht so schuldig fühlen.«
    Fakt ist: Obwohl französische Kinder Unmengen von Säuglingsnahrung konsumieren, sind sie amerikanischen Kindern gesundheitlich doch in allen Punkten überlegen. Bei den nationalen Durchschnittswerten der UNICEF zu Gesundheit und Sicherheit, die auch die Kindersterblichkeit, die Immunisierungsraten von Kindern unter zwei Jahren und Todesfälle infolge von Unfällen und Verletzungen berücksichtigen, hat Frankreich sechs Punkte Vorsprung .
    Französische Eltern sehen keine Veranlassung dazu, Säuglingsnahrung für schädlich zu halten, und finden auch nicht, dass man aus dem Stillen ein geheiligtes Ritual machen sollte. Sie gehen davon aus, dass Muttermilch vor allem für die Kinder armer Mütter aus der afrikanischen Subsahara eine Rolle spielt, aber bestimmt nicht für Pariser Babys aus der Mittelschicht. »Wir stellen fest, dass es allen Babys, die Säuglingsnahrung bekommen, gut geht« so

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