Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris (German Edition)
mit der Überschrift » New-Mom Makeover « in der Zeitschrift American Baby zeigt drei verlegene, pummelige Frauen mit einem künstlichen Lächeln in zeltartigen Gewändern. Sie haben ihre Kinder strategisch geschickt vor den Hüften platziert. Die dazugehörige Bildunterschrift nimmt kein Blatt vor den Mund: »Mutter werden verändert die Figur und stellt das gesamte bisherige Leben auf den Kopf« heißt es, bevor ein Loblied auf Stretchhosen gesungen wird.
Einige amerikanische Frauen sehen sich moralisch im Recht, sich dem Mutterdasein auf Kosten ihres Körpers zu widmen. Ganz so, als hätten sie jetzt höhere Ziele. Eine Consultant-Frau aus Connecticut mit einem sechs Monate alten Kind erzählt mir, neulich sei eine Französin zu ihrer Spielgruppe gestoßen, die – mit charmantem Akzent – sofort gefragt habe: »Und, wie näääähmt iiir ab?« Woraufhin alle anderen abrupt verstummt seien. Denn darüber wird bei amerikanischen Müttern normalerweise nicht geredet. Natürlich würden auch sie gern mit den Fingern schnippen und um zehn Kilo leichter sein. Aber keine von ihnen nimmt nennenswert ab. Es kommt ihnen egoistisch vor, Zeit, die eigentlich dem Kind gehört, darauf zu verwenden, Fettpölsterchen loszuwerden oder auch nur darüber zu reden.
Fragt man frischgebackene Pariser Mütter, wie sie die überflüssigen Pfunde nach der Geburt loswerden, erntet man dagegen kein eisiges Schweigen. Hier gibt es nicht nur den Druck, während der Schwangerschaft nicht zu stark zuzunehmen, sondern auch den, gleich nach der Geburt wieder abzunehmen.
Die Schwester der Consultant-Frau in Connecticut ist meine Freundin Nancy. Sie lebt mit ihrem französischen Lebensgefährten in Paris und hat einen Sohn. Die beiden Schwestern, die sich sehr ähneln, eignen sich perfekt für vergleichende Feldforschung. Denn allein wegen ihres Wohnorts und der Nationalität ihres Partners sind sie einem ganz unterschiedlichen sozialen Druck ausgesetzt. Nancy, die »Pariser Schwester«, erzählt mir, ihr französischer Freund habe bereits wenige Monate nach der Geburt ihres gemeinsamen Kindes gestichelt, sie solle endlich aufhören, Jogginghosen zu tragen und ihren Rettungsring loswerden. Als Anreiz schlug er vor, ihr neue Kleider zu schenken.
Nancy sagt, sie sei erstaunt, aber auch beleidigt gewesen. Wie ihre Schwester in Connecticut habe sie geglaubt, sich in einer »Mami-Schutzzone« zu befinden, in der ihr Äußeres eine Zeitlang keine Rolle spielt, damit sie sich ausschließlich ums Kind kümmern kann. Aber Nancys französischer Freund hat da eine ganz andere Einstellung. Er betrachtet sie nach wie vor als vollwertige Frau und erhebt den Anspruch, denselben ästhetischen Anblick genießen zu wollen wie vor der Geburt. Er war gleichermaßen erstaunt wie besorgt, dass Nancy das nicht so wichtig war.
In Frankreich scheint die Drei so etwas wie eine magische Zahl zu sein: Französinnen aller Altersgruppen erzählen, dass sie drei Monate nach der Geburt ihre alte ligne wiedergehabt hätten. Audrey, eine französische Journalistin, sagt mir beim Kaffee, dass sie nach ihren beiden Schwangerschaften sofort wieder ihre alte Figur zurückgehabt habe (auch nach der Geburt der Zwillinge). »Logisch, das war doch nur natürlich«, behauptet sie. »Aber du doch auch, oder?« (Ich saß bereits, als sie das Café betrat.)
Als Ausländerin, die nicht mit einem Franzosen verheiratet ist, habe ich mich selbst von der Dreimonatsregel befreit. Ich glaube sogar, bis Bean ein halbes Jahr alt war, hatte ich noch nicht einmal davon gehört. Mein Körper war so nett, sich ein Fettdepot um Bauch und Hüften zuzulegen und den Eindruck zu vermitteln, dass zumindest die Plazenta noch drin ist.
Auch ich wäre bestimmt dünner, wenn ich stichelnde französische Schwiegereltern hätte. Nicht nur Übergewicht scheint ansteckend zu sein, sondern auch Dünnsein. Wenn jeder um einen herum davon ausgeht, dass man die überflüssigen Pfunde schnell wieder loswird, wird man sie höchstwahrscheinlich auch schnell wieder loswerden. (Wobei das erheblich leichterfällt, wenn man gar nicht erst besonders stark zugenommen hat.)
Um nach der Geburt abzunehmen, scheinen Französinnen einfach nur das zu tun, was sie schon immer tun, nur intensiver.
»Ich achte sehr auf mich«, sagt meine Freundin Virginie, eine zierliche Mutter von drei Kindern, eines Tages beim Mittagessen zu mir, als ich mir gerade eine Riesenschüssel kambodschanische Nudelsuppe gönne. (Jedes Land, das von
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