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Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris (German Edition)

Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris (German Edition)

Titel: Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Druckerman
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bezahlbare Kinderbetreuung gibt. Und wir sehen schon dem nächsten Vorwand, in Frankreich zu bleiben, entgegen: der école maternelle , der kostenlosen Vorschule, in der so gut wie jeder einen Platz bekommt.
    Doch am meisten mögen wir die französische crêche , weil Bean sie mag. Sie isst Blauschimmelkäse, verleiht ihr Spielzeug und spielt » tomate, ketchup « (eine französische Variante von Plumpsack). Außerdem hat sie die Befehlsform im Französischen erlernt. Allerdings ist Bean ein bisschen zu aggressiv: Sie tritt mich gerne gegens Schienbein. Aber ich gehe davon aus, dass sie ihr Temperament vom Vater geerbt hat. Leider kann ich die Tagesbetreuung nicht für ihre persönlichen Schwächen verantwortlich machen.
    Maky und Lila sind nach wie vor Beans beste Freundinnen. Manchmal nehmen wir Bean sogar wieder mit zur crêche , damit sie durch den Zaun den Kindern zusehen kann, die jetzt im Innenhof spielen. In regelmäßigen Abständen sagt Bean wie aus dem Nichts: »Sylvie hat geweint.« Die crêche war ein Ort, an dem man sie ernst genommen hat.
    27 In einem Bericht des Pariser Bürgermeisterbüros von 2009 steht, dass Betreuer nicht schlecht über die Eltern, über die Abstammung oder das Aussehen eines Kindes reden dürfen, nicht einmal, wenn es sich noch um einen Säugling handelt, und auch nicht, wenn sich die Bemerkung auf jemand anders bezieht. »Die darin innewohnende Bedeutung wird von den Kindern intuitiv verstanden. Je jünger sie sind, desto besser begreifen sie, was sich hinter den Worten verbirgt«, so der Bericht.
    28 OECD, » Starting Strong II: Early Childhood Education and Care , 2006.
    29 NICHD Study of Early Child Care and Youth Development
    30 Jay Belsky, »Effects of Child Care on Child Development: Give Parents Real Choice«.

Bébé au lait
    Wie sich herausstellte, war es ganz einfach, mit der crêche warm zu werden. Aber nicht mit den anderen Müttern. Mir ist klar, dass Frauen in Frankreich nicht so spontan Kontakte schließen wie in Amerika. Angeblich entwickeln sich hier Frauenfreundschaften so langsam, dass es Jahre dauern kann, bis etwas daraus wird. Hat man jedoch erst einmal das Herz einer Französin errungen, hat man meist eine Freundin fürs Leben gewonnen. Amerikanische Instantfreundinnen dagegen können einen jederzeit fallen lassen.
    Ich habe es zwar geschafft, mich in meiner Zeit in Paris mit einigen Französinnen anzufreunden, aber die meisten haben entweder keine Kinder oder wohnen am anderen Ende der Stadt. Ich war davon ausgegangen, dass ich Mütter aus meiner Nachbarschaft mit Kindern in Beans Alter kennen lernen würde. Ich hatte mir ausgemalt, dass wir Rezepte austauschen, Picknicks organisieren und über unsere Ehemänner lästern, denn so funktioniert das in Amerika. Meine Mutter hat noch heute ein enges Verhältnis zu den Frauen, die sie auf dem Spielplatz kennen gelernt hat, als ich klein war.
    Deshalb bin ich nicht darauf vorbereitet, als mich die französischen Mütter, die in der Nachbarschaft wohnen und Kinder im passenden Alter haben, in der crêche mehr oder weniger ignorieren. Sie bringen kaum ein bonjour heraus, wenn wir morgens unsere Kleinkinder nebeneinander absetzen. Irgendwann weiß ich die Namen der meisten Kinder aus Beans Gruppe. Aber selbst nach einem Jahr dürfte nicht einmal eine der anderen Mütter Beans Namen kennen, von meinem ganz zu schweigen.
    Mütter, die ich mehrmals die Woche in der crêche sehe, scheinen mich nicht zu erkennen, wenn wir uns im Supermarkt begegnen. Vielleicht wollen sie auch nur nicht in meine Privatsphäre eindringen, wie kulturwissenschaftliche Bücher behaupten. Würden sie mich ansprechen, würde daraus nämlich eine Beziehung mit entsprechenden Verpflichtungen entstehen. Vielleicht sind sie aber auch nur arrogant.
    Auf dem Spielplatz ist es genau dasselbe: Die anderen ausländischen Mütter, die ich dort ab und zu treffe, verhalten sich genauso wie ich. Sie betrachten den Spielplatz als Ort, um Kontakte zu knüpfen, ja um vielleicht Freunde fürs Leben zu gewinnen. Schon wenige Minuten nach dem Kennenlernen wissen wir bereits, woher wir kommen und ob wir verheiratet sind, und tauschen uns über zweisprachigen Unterricht aus. Bald darauf bestärken wir uns gegenseitig wie verrückt: »Du läufst meilenweit für Trauben-Nuss-Müsli? Ich auch!«
    Aber in der Regel begegne ich ausschließlich französischen Müttern. Und die sagen nie »Ich auch!«. Ehrlich gesagt würdigen sie mich kaum eines Blickes, nicht einmal,

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