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Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris (German Edition)

Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris (German Edition)

Titel: Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Druckerman
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maternelle gelehrt wird, steht Sprechen sehr wohl auf dem Lehrplan. Wie sich herausstellt, besteht das Hauptziel der maternelle darin, dass Kinder jeder Herkunft ihr gesprochenes Französisch verbessern. Eine Elternbroschüre der französischen Regierung verkündet, dieses Französisch »solle sich durch einen reichen Wortschatz, durch gute Grammatik und durch Verständlichkeit auszeichnen«. (Mit anderen Worten, die Kinder sollen sich besser ausdrücken können als ich.) Charlotte, die Lehrerin, sagt, dass Kinder von Immigranten zu Beginn der maternelle im September meist nur rudimentär oder gar nicht Französisch sprächen. Im März können sie es in der Regel, und das oft sogar fließend.
    Die französische Logik scheint die zu sein, dass Kinder, die sich klar ausdrücken, auch klar denken können. Laut der Regierungsbroschüre lernt ein französisches Kind nicht nur, die Grammatik der gesprochenen Sprache zu verbessern, sondern auch »zu beobachten und immer logischere Fragen zu stellen. Es lernt, sich in andere hineinzuversetzen, und bekommt einen Vorgeschmack auf das logische Denken. Es wird in die Lage versetzt, zu zählen, zuzuordnen und zu beschreiben …« All die Philosophen und Intellektuellen, die im französischen Abendfernsehen so hochtrabend daherreden, scheinen ihre Ausbildung schon in der Vorschule erhalten zu haben.
    Ich bin dankbar, dass es die maternelle gibt. Ich habe nicht vergessen, dass meine amerikanischen Freunde – selbst die, die keine DVD s kaufen, die Babys das Lesen beibringen sollen – darum kämpfen müssen, ihre Kinder in privaten Vorschulen unterzubringen, die bis zu 12 000 Dollar pro Jahr kosten können – und das nur für Halbtagsunterricht. Ich kenne eine Mutter aus New Jersey, die fünfzig Minuten fahren muss, um ihre Zwillingstöchter zur Vorschule zu bringen. Kommt sie nach Hause, kann sie gerade noch duschen und eine Maschine Wäsche anschalten, bevor sie die Kinder wieder abholen muss. Die französische maternelle ist weit davon entfernt, perfekt zu sein. Die Lehrer sind fest angestellt, ob sie nun gut sind oder nicht. Es gibt chronische Geldprobleme und immer mal wieder Platzknappheit. In Beans Klasse gehen 25 Kinder, was sich nach viel anhört, dabei ist das noch nicht mal das Maximum. (Es gibt noch eine Hilfslehrerin, die bei Toilettengängen assistiert und eingreift, wenn es hin und wieder Rangeleien gibt.)
    Zu den Vorteilen der französischen Vorschule zählt auch, dass ich ausschließlich für das Mittagessen zahlen muss. (Die Kosten dafür schwanken zwischen dreizehn Cent und fünf Euro pro Tag, je nach Einkommen der Eltern.) Die Schule ist nur sieben Minuten zu Fuß von unserer Wohnung entfernt, und sie hat von 8 Uhr 20 bis 16 Uhr 20 geöffnet, und das vier Tage die Woche. Gegen eine weitere kleine Gebühr gibt es auf dem Schulgelände noch einen Hort, der sich bis zum frühen Abend und mittwochs um die Kinder kümmert. Der Hort hat auch an den meisten schulfreien Tagen geöffnet sowie in den Sommerferien. Dann werden die Kinder in Parks und Museen mitgenommen.
    Die maternelle trägt wesentlich dazu bei, dass sich mein kleines amerikanisches Mädchen in eine Französin verwandelt. Sie macht sogar mich französischer. Anders als in der crêch e interessieren sich die französischen Eltern sofort für Bean und folglich auch für mich. Sie scheinen unsere Familie als Teil der Kohorte zu betrachten, mit der sie die gesamte Schulzeit verbringen werden. Einige Mütter aus Beans Klasse haben außerdem noch ein Baby und sind in Mutterschaftsurlaub. Wenn ich Bean von der Vorschule abhole und sie mit in den gegenüberliegenden Park nehme, sitze ich mit einigen dieser Frauen zusammen, während unsere Kinder spielen. Nach und nach werden wir sogar zu Kindergeburtstagen, Nachmittags- goûters und Abendessen zu ihnen nach Hause eingeladen.
    Während uns die maternelle diefranzösische Lebensart nahebringt, rückt sie uns auch ins Bewusstsein, dass französische Familien sozialen Normen gehorchen, die wir nicht kennen. Nach einem Abendessen bei meiner Freundin Esther und ihrem Mann, die eine Tochter in Beans Alter haben, regt sich Esther darüber auf, dass ihre Tochter nicht aus ihrem Zimmer kommen will, um sich von uns zu verabschieden. Irgendwann marschiert Esther ins Kinderzimmer und holt sie heraus.
    » Au revoir «, sagt die Vierjährige gehorsam. Esther ist zufrieden.
    Natürlich achte auch ich darauf, dass Bean die Zauberworte »bitte« und »danke« sagt. Aber wie sich

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