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Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris (German Edition)

Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris (German Edition)

Titel: Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Druckerman
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sie, ehrlich!
    Nach etwa acht Monaten nennt man mir eine Akupunkteurin, die sich auf Fruchtbarkeitsbehandlungen spezialisiert hat. Sie hat lange schwarze Haare und ein Ladenbüro in einem schlichten Pariser Viertel. (In den meisten Städten gibt es ein Chinatown. Paris hat fünf oder sechs davon.) Die Akupunkteurin mustert meine Zunge, steckt mir ein paar Nadeln in die Arme und fragt mich, wie lange mein Zyklus dauert.
    »Das ist zu lange!«, sagt sie und erklärt mir, dass mein Ei sein Mindesthaltbarkeitsdatum überschreitet. Sie stellt mir ein Rezept für einen Trank aus, der nach Baumrinde schmeckt. Ich trinke ihn gehorsam. Aber ich werde nicht schwanger.
    Simon sagt, er sei auch mit einem Kind zufrieden. Aus Rücksicht auf ihn ziehe ich diese Möglichkeit genau vier Sekunden lang in Betracht. Doch irgendein animalischer Instinkt treibt mich an. Er fühlt sich nicht nach Darwin an, sondern eher wie eine Art Heißhunger auf Kohlenhydrate. Ich will mehr Pizza! Ich gehe wieder zu meiner Ärztin und sage, ich sei bereit, den Einsatz zu erhöhen. Was sie denn noch so im Angebot habe?
    Sie findet nicht, dass es schon Zeit für eine künstliche Befruchtung ist. (Frankreichs gesetzliche Krankenversicherung zahlt Frauen unter dreiundvierzig bis zu sechs künstliche Befruchtungsversuche.) Stattdessen zeigt sie mir, wie ich mir einen Wirkstoff in den Oberschenkel spritzen soll, der den Eisprung vorzieht, damit das Ei keine Zeit mehr hat, sein Mindesthaltbarkeitsdatum zu überschreiten. Damit das funktioniert, muss ich mir am 14. Tag die Spritze geben. Und gleich danach Sex haben.
    Wie sich herausstellt, muss Simon am nächsten 14. Tag beruflich nach Amsterdam. Es kommt für mich nicht infrage, noch einen Monat zu warten. Ich bestelle einen Babysitter für Bean und vereinbare mit Simon ein Treffen auf halber Strecke zwischen Amsterdam und Paris, nämlich in Brüssel. Wir haben vor, schön essen zu gehen und uns anschließend auf unser Hotelzimmer zurückzuziehen. Im schlimmsten Fall ist es eine willkommene Abwechslung. Am Morgen danach wird Simon nach Amsterdam zurückfahren.
    Am 14. Tag zieht ein heftiges Unwetter auf, und in Westholland brechen sämtliche Bahnverbindungen zusammen. Als ich gegen achtzehn Uhr am Brüsseler Bahnhof ankomme, ruft Simon an und sagt, sein Zug stecke in Rotterdam fest. Welche Züge von dort fahren und ob überhaupt noch welche fahren würden, sei ungewiss. Gut möglich, dass er es heute Abend nicht mehr bis nach Brüssel schaffe. Er rufe zurück.
    Wie auf Kommando beginnt es zu regnen.
    Ich bewahre die Spritze in einer Kühltasche auf, wo sie nur für wenige Stunden gekühlt bleibt. Was, wenn ich in einem heißen Zug feststecke? Ich sause in einen Lebensmittelladen am Bahnhof und kaufe Tiefkühlerbsen, die ich in die Kühltasche stecke.
    Simon ruft zurück und sagt, es gäbe einen Zug von Rotterdam nach Antwerpen. Ob ich ihn in Antwerpen treffen könne? Auf der großen Anzeigetafel über mir sehe ich, dass in wenigen Minuten ein Zug von Brüssel nach Antwerpen geht. In einer The Bourne Identity -plus- Sex And The City- reifen Szene schnappe ich meine erbsengekühlte Spritze und eile zum Gleis.
    Ich stehe im Regen und will gerade in den Zug nach Antwerpen einsteigen, als Simon erneut anruft. »Nicht einsteigen!«, schreit er. Er sitzt in einem Zug nach Brüssel.
    Ich nehme ein Taxi zu unserem Hotel, das warm, gemütlich und mit einem riesigen Weihnachtsbaum geschmückt ist. Ich sollte dankbar sein, hier sein zu dürfen, aber das erste Zimmer, das mir der Hotelpage zeigt, hat einfach nicht die Zeugungsatmosphäre, die ich brauche. Er bringt mich deshalb in ein romantisches Dachgeschosszimmer mit schrägen Wänden. Das scheint mir ein fortpflanzungstechnisch geeigneter Ort zu sein.
    Während ich auf Simon warte, lasse ich mir eine Wanne ein, ziehe mir anschließend den Bademantel über und ramme mir gelassen die Spritze in den Oberschenkel. So wie es aussieht, wäre ich kein schlechter Junkie, aber noch lieber wäre ich eine Mutter von zwei Kindern.
    Wenige Wochen später bin ich beruflich in London. Ich gehe in eine Apotheke und hole einen Schwangerschaftstest. Anschließend kaufe ich mir einen Bagel in einem Deli, nur damit ich die schmuddelige Kellertoilette benutzen kann, um den Schwangerschaftstest zu machen. (Na gut, den Bagel esse ich auch.) Zu meinem maßlosen Erstaunen ist der Test positiv. Ich rufe Simon an, während ich mit meinem Rollkoffer zu meinem Termin hetze. Er denkt sich sofort

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