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Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris (German Edition)

Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris (German Edition)

Titel: Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Druckerman
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weiß sie nicht. Und sie darf auch nicht gehen, um Nachforschungen anzustellen.
    Zwanzig Minuten vergehen. Niemand schaut nach uns. Vielleicht liegt es an den Hormonen, dass mich das alles nicht stört. Trotzdem bin ich dankbar, als die Schwester aus medizinischem Verbandsmaterial eine Art Lendenschurz bastelt, der meine Blöße bedeckt. Anschließend ist sie nicht mehr zu Gesprächen aufgelegt. »Ich hasse meinen Job!«, sagt sie.
    Schließlich schiebt mich jemand in einen Ruheraum, wo ich mit Simon und den Babys wiedervereint werde. Wir machen Fotos, und zum ersten und letzten Mal versuche ich, beide Jungen gleichzeitig zu stillen. Ein Krankenpfleger schiebt uns in das Zimmer, in dem ich die nächsten Tage mit den Jungs bleiben werde. Ein Nobelhotel ist das nicht gerade, eher eine Art Billig-Motel. Es gibt eine rudimentäre Personalbesetzung und ein Säuglingszimmer, das von eins bis vier Uhr früh geöffnet hat. Da ich bereits ein älteres Kind habe und man davon ausgeht, dass ich nichts Schlimmes anrichten kann, überlässt mich das Personal mehr oder weniger meinem Schicksal. Zu den Mahlzeiten trägt jemand ein Plastiktablett mit der Parodie eines Krankenhausessens herein: matschige Fritten, Chicken Nuggets und Schokomilch. Ich brauche ein paar Tage, bis ich merke, dass keine der anderen Mütter davon isst: Es gibt einen Gemeinschaftskühlschrank im Flur, in dem sie Lebensmittel bunkern.
    Simon kümmert sich zu Hause um Bean, sodass ich die meiste Zeit allein mit den Jungen bin, die oft stundenlang schreien. Ich klemme mir einen zwischen die Beine, gewissermaßen als Ersatz für eine Umarmung, während ich versuche, den anderen zu stillen. In diesem lautstarken Gewimmel aus Armen und Beinen kommt es mir so vor, als wären es mehr als zwei Babys. Als ich sie schließlich beide nach stundenlangem Wimmern und Trinken zum Schlafen gebracht habe, taucht Simon auf. »Es ist so friedlich hier!«, sagt er. Ich versuche, nicht daran zu denken, dass mein Bauch aussieht wie ein riesiger fleischfarbener Berg Wackelpudding.
    Inmitten dieses Chaos müssen wir den Jungen Namen geben. (Die Stadt Paris gibt einem dafür gerade mal drei Tage Zeit. Am zweiten Tag steht ein wütender Bürokrat mit einem Klemmbrett am Krankenbett.) Simon bittet nur darum, dass Nelson mit dabei ist, nach seinem Idol Nelson Mandela. Die meisten Gedanken macht er sich um die perfekten Spitznamen. Er möchte einen Jungen Gonzo und den anderen Chairman rufen. Ich habe eine Schwäche für Doppelvokale und überlege, beide Raoul zu nennen.
    Wir entscheiden uns für Joel – den wir nur Joey nennen – und Leo, der sich sämtlichen Versuchen, ihm einen Spitznamen zu verpassen, widersetzt. Es sind die zweieiigsten Zwillinge, die ich je gesehen habe: Joey sieht aus wie ich, nur mit platinblondem Haar. Leo ist ein dunkler, kleiner, mediterraner Typ. Wären sie nicht genau gleich groß und ständig zusammen, würde niemand darauf kommen, dass sie miteinander verwandt sind.
    Nach vier langen Tagen dürfen wir das Krankenhaus verlassen. Doch was dann kommt, ist nicht unbedingt eine Verbesserung: Am frühen Abend schreien die Babys stundenlang. Beide wachen nachts immer wieder auf. Simon und ich schnappen uns jeder ein Baby, bevor wir uns schlafen legen, für das wir dann die ganze Nacht zuständig sind. Wir versuchen, beide das »einfachere« Baby zu nehmen, aber welches das ist, ändert sich ständig. Da wir noch nicht in die größere Wohnung gezogen sind, schlafen wir alle im selben Zimmer. Werden die Babys wach, sind es auch alle anderen.
    Es fühlt sich nach wie vor so an, als wären es mehr als zwei. Ich hätte nie gedacht, dass ich die Zwillinge gleich anziehe, aber plötzlich bin ich versucht, es zu tun, um wenigstens für ein bisschen Ordnung zu sorgen – und sei es nur optisch. So wie in einer besonders strengen Schule, die verlangt, dass die Kinder Schuluniform tragen.
    Erstaunlicherweise bleibt mir bei all dem Stress immer noch genügend Zeit, um meine Neurosen zu pflegen. Ich bin wie besessen von der Vorstellung, dass wir den Jungen falsche Namen gegeben haben und aufs Rathaus gehen und sie ändern sollten. In meinen wenigen freien Minuten quäle ich mich damit.
    Dann wäre da noch das unbedeutende Thema der Beschneidung. Die meisten französischen Babys sind nicht beschnitten. Das bleibt den Juden und Muslimen vorbehalten. Weil gerade August ist, sind sämtliche Mohels, die die rituelle Beschneidung vornehmen, in Urlaub. Wir warten darauf, dass

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