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Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris (German Edition)

Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris (German Edition)

Titel: Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Druckerman
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verstehen problemlos, dass Eltern Zeit haben müssen, die nicht mit Arbeit, Haushalt, Einkaufen und Kindern verbracht wird.«
    Wenn die französischen Eltern ihrer anfänglichen Cocooning-Phase entwachsen sind, nehmen sie diese Aufforderung zur Beziehungspflege ernst. Es gibt sogar eine Tageszeit in Frankreich, die »Erwachsenen«- oder »Elternzeit« genannt wird. Sie bricht an, sobald die Kinder im Bett sind. Die Vorfreude auf die »Erwachsenenzeit« erklärt auch, warum französische Eltern – nachdem die Gutenachtgeschichte vorgelesen und Schlaflieder gesungen wurden – strikt auf die Einhaltung fester Schlafenszeiten pochen. Sie betrachten die »Erwachsenenzeit« nicht als seltenes, hart erkämpftes Privileg, sondern als menschliches Grundbedürfnis. Judith, eine Kunsthistorikerin mit drei kleinen Kindern, sagt, alle müssten gegen acht, halb neun eingeschlafen sein, »weil ich dann Zeit für mich brauche«.
    Französische Eltern finden diese Trennung nicht nur aus egoistischen Gründen gut, sie sind auch aufrichtig davon überzeugt, dass sie für Kinder wichtig ist. Sie sollen lernen, dass Eltern eigene Interessen haben. »Dadurch begreift das Kind, dass es nicht der Nabel der Welt ist, und das ist unabdingbar für seine Entwicklung«, so der französische Erziehungsratgeber Votre Enfant .
    Französische Eltern haben nicht nur die Nächte für sich allein. Nachdem Bean eingeschult wurde, werden wir mit jeder Menge zweiwöchiger Schulferien konfrontiert. In dieser Zeit kann ich für sie nicht mal eine Verabredung zum Spielenorganisieren. Die meisten von Beans Freunden werden in den Ferien zu ihren Großeltern aufs Land geschickt. Ihre Eltern nutzen die Zeit, um zu arbeiten, zu reisen, Sex zu haben und um allein zu sein.
    Virginie sagt, dass sie und ihr Mann jedes Jahr zehn Tage alleine wegfahren. Und das ist nicht verhandelbar. Ihre Kinder zwischen vier und vierzehn bleiben bei Virginies Eltern in einem Dorf, das zwei Zugstunden von Paris entfernt ist. Elterliche Schuldgefühle hätten in diesen Ferien nichts zu suchen, so Virginie. »Das, was in diesen zehn Tagen zwischen uns entsteht, kann nur gut für die Kinder sein.« Laut Virginie brauchen auch Kinder manchmal eine Auszeit von ihren Eltern. Wenn sie sich dann anschließend wiedersehen, kommt es zu rührenden Szenen.
    Französische Eltern aus meinem Bekanntenkreis gönnen sich Erwachsenenzeit, wann immer es geht. Caroline, die Physiotherapeutin, erzählt mir ohne jedes schlechte Gewissen, dass ihre Mutter ihren dreijährigen Sohn häufig am Freitag aus der maternelle abholt und sich bis Sonntagabend um ihn kümmert. An ihrem freien Wochenende wollen ihr Mann und sie ausschlafen und ins Kino gehen.
    Französische Eltern gönnen sich aber auch Erwachsenenzeit, wenn die Kinder zu Hause sind. Florence, 42, mit drei Kindern zwischen drei und sechs, erzählt, dass die Kinder morgens am Wochenende »nicht in unser Zimmer dürfen, bis wir die Tür aufmachen.« Bis dahin schaffen sie es auf wundersame Weise, sich allein zu beschäftigen. (Inspiriert von ihrem Beispiel probieren Simon und ich das auch aus. Zu unserem Erstaunen funktioniert es sogar meistens. Auch wenn wir es den Kindern alle paar Wochen neu beibringen müssen.)
    Meinen französischen Kollegen kann ich das Konzept der Date Night nur schwer vermitteln. Zunächst einmal »datet« man in Frankreich nicht. In Frankreich klingt »Date« viel zu unentschlossen und mehr nach einem Vorstellungsgespräch als nach einem romantischen Abend. Auch für Paare, die bereits zusammenleben. Eine Date Night legt nahe, dass man auf Kommando aus dem Jogginganzug und in Stilettos schlüpft – etwas, das meine französischen Freunde als viel zu gekünstelt empfinden. Sie stören sich daran, dass das »wahre Leben« unsexy und anstrengend sein soll und sie Romantik planen sollen wie einen Zahnarzttermin.
    Dabei hätten die Französinnen allen Grund, sich mehr zu beklagen als die Amerikanerinnen. In Sachen Gleichberechtigung liegen sie nämlich weit hinter amerikanischen Standards zurück, zum Beispiel was den Frauenanteil in der Politik und in den Vorstandsetagen anbelangt. Auch der Gehaltsunterschied zwischen Männern und Frauen ist größer. 49
    Die Ungleichheit zeigt sich auch zu Hause. Französische Frauen verbringen rund 90 Prozent mehr Zeit mit Hausarbeit und Kinderbetreuung als Männer. 50 Trotz allem sind meine amerikanischen (und britischen) Freundinnen mit Kindern deutlich schlechter auf ihre Ehemänner und

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