Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris (German Edition)
Welt sind, nur wenige Stunden außer Haus verbracht. Meist tue ich genau das, was auch die Mutter aus Colorado tut: Ich benutze den Babysitter als eine Art Assistentin, die die Windeln wechselt und die Wäsche macht. In der Regel bin ich zu Hause.
Dieses System hat den Vorteil, dass wir zeitgleich sowohl unsere Ersparnisse plündern als auch unsere Beziehung ruinieren können. Ich fühle mich selbst abstoßend. Dass ich langsam durchdrehe, merke ich, als ich eine Viertelstunde vor Eintreffen der Babysitterinnen eine SMS bekomme. Ich gerate in Panik, weil ich befürchte, die Babysitterin könnte sich verspäten. Dabei ist es bloß eine SMS von einem Nachrichtenservice, den ich abonniert habe, der mich informiert, dass es in Südamerika ein verheerendes Erdbeben mit vielen Toten gegeben hat. Ich bin erleichtert.
Natürlich ist es einfacher, sich mit seinem Partner zu vertragen, wenn Babys im Alter von drei Monaten durchschlafen, Kinder sich selbst beschäftigen und man sie nicht ständig von einer Aktivität zur nächsten karren muss. Und es hilft auch, dass französische Paare hohe Preise für Kinderbetreuung, Gesundheitsvorsorge und Ausbildung gar nicht kennen.
Was allerdings kurzfristig wirklich zu helfen scheint, sind die so ganz anderen romantischen Vorstellungen französischer Paare. Die sind sogar auch dann noch vorhanden, wenn kleine Kinder da sind. Ich bekomme eine Ahnung davon, als mir meine Gynäkologin zehn Stunden rééducation périnéale verschreibt, was man wortwörtlich mit »Perineum-Umschulung« übersetzen könnte. Das hat sie schon nach Beans Geburt (vergeblich) getan und tut es jetzt wieder.
Vor meiner ersten »Umschulung« hatte ich nur eine vage Ahnung von der Existenz meines Perineums (dem sogenannten »Damm«) gehabt, geschweige denn, dass ich genau gewusst hätte, was das eigentlich ist. Wie sich herausstellt, gehört es zur hängemattenartigen Beckenbodenmuskulatur, die durch Schwangerschaft und Geburt oft überdehnt wird. Diese Dehnung kann den Geburtskanal erweitern und dazu führen, dass Mütter Pipi machen müssen, wenn sie husten oder niesen.
In den Vereinigten Staaten wird auch manchmal zur Beckenbodengymnastik geraten. Aber noch häufiger wird zu gar nichts geraten. Ein bisschen schlaff und undicht zu sein ist einfach nur ein nicht weiter erwähnenswerter Teil des amerikanischen Mutterdaseins.
In Frankreich sind solche Probleme pas acceptable . Freundinnen erzählen mir, dass ihre französischen Frauenärzte abschätzen, ob ein paar Stunden Beckenbodengymnastik nötig sind, indem sie fragen: »Ist monsieur glücklich?«
Ich glaube, mein monsieur wäre bereits glücklich, wenn er nur in die Nähe meines Perineums dürfte. Eine Zeitlang brauchte Simon nur in die Nähe meiner Brüste zu kommen, und es herrschte Feueralarm: Sofort verspritzten sie Milch. Wie dem auch sei, Schlafen steht weiter oben auf unserer Wunschliste. Ich bin neugierig genug auf die »Perineum-Umschulung«, um einen Versuch zu wagen. Meine erste »Umschulerin« ist eine schlanke Spanierin namens Mónica mit einer Praxis im Marais. Unsere Einführungsstunde beginnt mit einem 45-minütigen Interview, in dem sie mir Dutzende Fragen zu meinen Toilettengewohnheiten und meinem Liebesleben stellt.
Dann ziehe ich mich untenrum aus und lege mich auf einen gepolsterten Tisch, der mit zerknittertem Einwegpapier bedeckt ist. Mónica streift Chirurgenhandschuhe über und leitet mich in etwas an, das ich nur als assistierte »Crunches« für meine Vagina bezeichnen kann. Sie werden in Sätzen à fünfzehn Übungen absolviert (»Und los! Und locker lassen«). Eine Art Pilates für den weiblichen Unterleib.
Anschließend zeigt mir Mónica einen schlanken weißen Zauberstab, den sie in der nächsten Stunde vorstellen wird. Er erinnert an diese Geräte, denen man sonst nur in Sexshops begegnet. Der Stab wird meine Minicrunches durch Elektrostimulation unterstützen. Dieses Beckenbodentraining ist schrecklich intim, aber auch seltsam klinisch. Während der Übungen siezen Mónica und ich uns. Aber sie bittet mich, die Augen zu schließen, damit ich die Muskeln besser isolieren kann.
Meine Ärztin verordnet mir auch Bauchmuskeltraining. Sie hat festgestellt, dass ich mehr als ein Jahr nach Geburt der Zwillinge eine Art Wulst um meine Taille habe, die teils aus Fett, teils aus ausgeleiertem Gewebe und teils aus einer unbekannten Substanz besteht. Ehrlich gesagt weiß ich auch nicht genau, was da drin ist. Es wird höchste Zeit,
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