Warum hab ich ihn gekuesst
müssen. Plötzlich verachtete sie sich. Was war nur aus ihrer Überzeugung geworden, dass körperliche Begierde mit Liebe einhergehen musste? Warum hatte sie überhaupt auf Drews Zärtlichkeiten reagiert? Hatte ihre Angst vielleicht einen Adrenalinstoß bewirkt, der wiederum jene Empfindungen hervorgerufen hatte? Anders konnte sie es sich nicht erklären. Erleichtert schloss Kirsty die Augen. Wenn sie ehrlich war, musste sie sich eingestehen, dass es idiotisch gewesen war, in Drew Chalmers' Suite einzudringen, doch nun wollte sie das Ganze nur noch vergessen. Sie konnte nur ihrem Schicksal danken, dass ihre Wege sich nie wieder kreuzen würden!
3. KAPITEL
Kirsty wartete in den Kulissen und überlegte, ob sie bloß träumte oder tatsächlich in Yorkshire war und auf ihren ersten Probenauftritt als Hero in Shakespeares Viel Lärm um nichts wartete.
Sie kniff sich, um sicherzugehen, und stellte beruhigt fest, dass es wehtat.
Innerhalb so kurzer Zeit war so viel passiert. Nachdem das Stück in Winton abgesetzt worden war - was sie nicht sonderlich überrascht hatte -, hatte sie einen Anruf von ihrer Agentin Eve aus London bekommen, die ihr gesagt hatte, sie sollte zum Vorsprechen für die Rolle der Hero nach Ousebridge in Yorkshire fahren.
Was sie beide verblüfft hatte, war die Tatsache, dass Simon Bailey, der Regisseur und Produzent, ausdrücklich sie verlangt hatte. Beim Vorsprechen hatte er ihr, Kirsty, erzählt, ein Freund, der sie auf der Bühne gesehen hätte, hätte sie ihm empfohlen. Rollen wie die der Hero wurden jungen Schauspielerinnen, die am Hungertuch nagten, nicht oft angeboten, schon gar nicht bei derart renommierten Truppen wie den Ousebridge Players.
„Das war hervorragend, Kirsty", lobte Simon sie, als Kirsty von der Bühne kam. „Sie finden sich immer besser in die Rolle hinein. Wie ich bereits sagte, möchte ich von dem abgedroschenen Image der Hero weg."
Überglücklich eilte sie nach unten in die Gemeinschaftsgarderobe und dachte dabei bereits an den Brief, den sie an ihre Eltern schreiben wollte, wenn sie wieder im Hotel war.
Natürlich hatten die beiden sich sehr für sie gefreut, und ihre Mutter hatte ihr für die Dauer ihres Aufenthalts in Yorkshire sogar ihren geliebten Flitzer geliehen.
„Vergiss nicht die Feier morgen, Kirsty", rief Cherry Rivers, die Produktionsassistentin, als Kirsty an der offenen Tür vorbeieilte. „Die anderen kommen auch alle."
Simon hatte sie bereits zu der Party eingeladen, die er und seine Frau für die Darsteller von Viel Lärm um nichts gaben. Beim Vorsprechen hatte er ihr erzählt, dass die Truppe nur aus einem kleinen Kern fester Mitarbeiter bestünde und bei jedem neuen Stück auch neu vorsprechen ließe. Wegen ihres ausgezeichneten Rufs könnten die Ousebridge Players für die Hauptrollen normalerweise auch bekannte Theaterschauspieler verpflichten. Die Rolle der Beatrice spielte jetzt eine weltbekannte Schauspielerin. Kirsty hatte sie bereits im Londoner Westend gesehen und empfand es als große Ehre, neben einer so berühmte Persönlichkeit auftreten zu können.
Den Stamm der Truppe hatte sie bereits kennen gelernt. Simon Baileys Frau gehörte auch dazu. Sie hatte ihr fröhlich erklärt, sie könnte bei dieser Produktion nicht mitwirken, weil sie gerade ihr zweites Kind erwartete, und das wäre auch einer der Gründe, warum man sie engagiert hätte.
„Sie hatte vor anderthalb Jahren eine Fehlgeburt", hatte Cherry ihr später erzählt. „Deswegen besteht Simon darauf, dass sie sich während dieser Schwangerschaft schont. Allerdings glaube ich nicht, dass es ihr etwas ausmacht, denn sie ist lieber Ehefrau und Mutter als Schauspielerin. Dich sehe ich auch eher in der Rolle", fügte sie hinzu. „Du hast nicht diesen hungrigen Blick derjenigen, die es bis an die Spitze schaffen. Nun mach nicht so ein Gesicht", fügte sie tröstend hinzu. „Es ist nicht immer gut, wenn man sich einer Sache mit Leib und Seele widmet."
Kirsty hatte Cherry auf Anhieb gemocht, und diese hatte sich als unerschöpfliche Informationsquelle erwiesen, was die Ousebridge Players und alle Leute, die mit ihnen zu tun hatten, betraf. Und wenigstens hatte jemand ihre, Kirstys, schauspielerischen Fähigkeiten erkannt - im Gegensatz zu Drew Chalmers. Drew Chalmers! Warum, in aller Welt, musste sie jetzt an ihn denken?
Sie verachtete den Mann, doch leider musste sie in letzter Zeit oft an ihn denken, und immer dann, wenn sie am wenigsten damit rechnete.
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